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DOI: 10.1055/s-0029-1223388
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York
Autonomie und Empathie
Komplementäre Schlüsselkonzepte in der Behandlung chronisch Schmerzkranker[1]Publication History
Publication Date:
20 November 2009 (online)
Zusammenfassung
Chronischer Schmerz stellt in therapeutischer, aber auch in medizinethischer Hinsicht eine beträchtliche Herausforderung dar. So wirft der Umgang mit chronischen Schmerzpatienten eine Vielzahl an problematischen Konstellationen auf, die im Beitrag mit Blick auf ihre ethische Dimension – insbesondere die Rolle von Autonomie und Empathie – exploriert werden. Einleitend werden zunächst maßgebliche theoretische und institutionelle Entwicklungen im Umgang mit chronischen Schmerzpatienten identifiziert: die Modulierbarkeit des Schmerzerlebens, das biopsychosoziale pathogenetische Konzept und das Setting multidisziplinärer Schmerzkliniken. In einem weiteren Schritt werden medizinethische Konfliktkonstellationen beschrieben und analysiert, welche unter den Vorzeichen einer an Ganzheitlichkeit und Multidisziplinarität orientierten Behandlung auftreten können. Dabei steht der Konflikt zwischen einer Orientierung am Patientenwohl und dem Respekt vor der Autonomie und der Authentizität der Patienten im Vordergrund. Schließlich wird aufgezeigt, wie Empathie und Fürsorge (care) zur Vermeidung der beschriebenen Konfliktkonstellationen beitragen können.
Schlüsselwörter
Autonomie - Authentizität - Empathie - Fürsorge - chronischer Schmerz - Ethik
1 Danksagung: Unser herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Jörg Klein für intensive und einsichtsreiche Gespräche zur Behandlung chronisch Schmerzkranker ebenso wie Frau Dr. Margaret Caudill, welche NBA während mehrerer Aufenthalte an der Harvard Medical School als Mentorin begleitet hat. Ihr genuines Anliegen, das Wohl ihrer Patienten zu befördern durch umfassende medizinische Behandlung einerseits und durch Empowerment andererseits, die Treffsicherheit ihres klinischen Urteils und ihre Offenheit als Gesprächspartnerin waren eine nachhaltige Quelle der Inspiration.
Literatur
- 1 Baar H A, Gerbershagen H U. Schmerz, Schmerzkrankheit, Schmerzklinik. Berlin, Heidelberg, New York; Springer 1974
- 2 Beecher H K. Measurement of subjective responses: Quantitative effects of drugs. New York; Oxford University Press 1959
- 3 Biller-Andorno N. Gerechtigkeit und Fürsorge. Zur Möglichkeit einer integrativen Medizinethik. Frankfurt a. M., New York; Campus 2001
- 4 Biller-Andorno N, Klein J. Die Autonomie chronischer Schmerzpatienten im Kontext der Entwicklung multidisziplinärer Schmerzkliniken. Posterpräsentation auf der VIII. Tagung der Deutsch-Polnischen Gesellschaft für Geschichte der Medizin „Der Kranke zwischen Selbstwahrnehmung und Fremdbestimmung”. Wittenberg; 6.–9. September 2001
- 5 Bonica J J. Organization and function of a pain clinic. Adv Neurol. 1974; 4 433-442
- 6 Caudill M. Managing Pain before It Manages You. 3rd rev. edition. New York; Guilford Press 2008
- 7 Engel G L. The need for a new medical model. Science. 1977; 196 129-136
- 8 Frank A W. At the will of the body: Reflections on illness. Boston; Houghton Mifflin 1991
- 9 Gilligan C. In a different voice: Psychological theory and women's development. Cambridge, MA; Harvard University Press 1982
- 10 Melzack R, Wall P D. The challenge of pain. 2nd edition. London; Penguin Books 1996
- 11 Uexküll T von. Grundfragen der psychosomatischen Medizin. 5. Aufl. Reinbek bei Hamburg; Rowohlt 1976
1 Danksagung: Unser herzlicher Dank gilt Herrn Dr. Jörg Klein für intensive und einsichtsreiche Gespräche zur Behandlung chronisch Schmerzkranker ebenso wie Frau Dr. Margaret Caudill, welche NBA während mehrerer Aufenthalte an der Harvard Medical School als Mentorin begleitet hat. Ihr genuines Anliegen, das Wohl ihrer Patienten zu befördern durch umfassende medizinische Behandlung einerseits und durch Empowerment andererseits, die Treffsicherheit ihres klinischen Urteils und ihre Offenheit als Gesprächspartnerin waren eine nachhaltige Quelle der Inspiration.
2 Im nachfolgenden Text wird in der Regel die männliche Form verwandt.
3 Vgl. http://www.paineurope.com/index.php?q=en/book_page/pain_in_europe_survey (letzter Zugriff am 2. Juli 2009).
4 Die eben genannten Faktoren mögen als pathogenetische Kofaktoren immer noch eine Rolle spielen, aber eben nicht mehr als ausschließliche Erklärungsansätze.
5 Dabei sollen keineswegs die theoretischen und praktischen Errungenschaften im Umgang mit chronischen Schmerzpatienten infrage gestellt werden.
6 Es handelt sich um Gespräche mit Betroffenen, die NBA u. a. während ihrer Zeit als postdoctoral research fellow an der Harvard Medical School und auch danach im Zusammenhang mit ihrer medizinethischen Tätigkeit geführt hat. Es werden in der Aufstellung nur einige Momente wiedergegeben, die Patienten berichtet haben, ohne dass die Perspektive des ärztlichen Gegenübers eingeholt wurde. Intendiert sind somit keine Aussagen über die Qualität der jeweiligen ärztlichen Versorgung, sondern das Aufzeigen möglicher Gefahren angesichts der Vulnerabilität chronisch Schmerzkranker im jeweiligen, durch theoretische Konzepte und institutionelle Vorgaben mitgeprägten Kontext.
7 Damit soll nicht gesagt sein, dass chronischer Schmerz in jedem Falle eine biopsychosoziale Genese hat, wohl aber, dass jeder chronisch Schmerzkranke in biopsychosozialer Hinsicht tangiert ist.
Prof. Dr. med. Dr. phil. Nikola Biller-Andorno
Direktorin
Institut für Biomedizinische Ethik
Universität Zürich
Zollikerstraße 115
8008 Zürich, Schweiz
Email: biller-andorno@ethik.uzh.ch
Anna-Karina Jakovljevic, M. A.
Universität Göttingen
Ethik und Geschichte der Medizin
Humboldtallee 36
37073 Göttingen
Email: ajakovl@gwdg.de