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DOI: 10.1055/s-0029-1222762
Diskrepanz zwischen sonographischem und phänotypischem Geschlecht bei genetischen Syndromen
Eine 23 jährige IG 0P stellte sich aufgrund eines Anhydramnions in der 19+3 SSW zur weiterführenden Diagnostik vor. Es fanden sich typische Stigmata eines Joubert-Syndroms in Form einer Kleinhirn-Hypoplasie mit Dandy-Walker-Zyste, eine multizystische Nierendysplasie einseitig und kontralaterale Nierenagenesie, eine Nackenfalte, eine Hexadakytlie und Mikrognathie. Eine Nabelschnurpunktion ergab einen weiblichen Chromosomensatz. Nach Abortinduktion zeigte sich ein phänotypisch und histologisch männliches Geschlecht. Eine genetische Nachbearbeitung des Nabelschnurblutes sowie fetalen Gewebes auf 3 Y-chromosomale Markersequenzen (inkl. SRY) fiel negativ aus. Eine maternale Kontamination wurde über HbF-Bestimmung ausgeschlossen. Die vorliegende Diskrepanz zwischen chromosomalem und histologischem Geschlecht stellt die Erstbeschreibung eines Sex reversal bei Joubert-Syndrom dar. In Einzelfällen wurde ein Mikropenis beschrieben. Bei klinisch gut dokumentierten Fällen lässt sich in 30–35% eine bekannte Mutation identifizieren. Genetisch und phänotypisch existieren Überlappungen mit dem Bardet-Biedl- und Meckel-Gruber-Syndrom.
Eine hypothetische Ursache des Sex reversal wäre eine Mutation auf einem Joubert-Syndrom auslösenden Gen in der SRY-Gen untergeordneten Kaskade. Dies wäre analog zur SOX9-Mutation bei kampomeler Dysplasie.
Dies ist zu unterscheiden von der oft indifferenten oder feminisierten Ausprägung des männlichen Geschlechts bei Smith-Lemli-Opitz-Syndrom. Diesem liegt eine Störung der Cholesterol-Synthese aufgrund einer Mutation des DHCR7-Gens zugrunde. Die genitalen Auffälligkeiten, die wir in 50% der Fälle beobachteten, ergeben sich aus der mangelhaften Synthese von Steroidhormonen.