Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_114
DOI: 10.1055/s-0029-1221919

Prader-Willi-Syndrom und Diabetes mellitus

C Boettcher 1, T Horn 1, C Leludas 1, KP Zimmer 1, SA Wudy 1
  • 1Zentrum für Kinderheilkunde und Jugendmedizin/Justus Liebig Universität Gießen, Pädiatrische Diabetologie & Endokrinologie, Gießen, Germany

Das Prader-Willi-Syndrom (PWS) ist eine Multisystemerkrankung, die ursächlich auf einen Expressionsmangel paternal ererbter, dem genomischen Imprinting unterliegender Gene auf Chromosom 15q11-q13 zurückzuführen ist. Mehrheitlich liegt eine paternale Deletion, zu ca. 25% jedoch eine maternale uniparentale Disomie, selten ein Imprintingfehler vor. Phänotypisch charakteristisch für das PWS ist eine muskuläre Hypotonie und Trinkschwäche im Neugeborenen- und Säuglingsalter, die im Kleinkindalter von einer zwanghaften Esslust und Hyperphagie mit Adipositas begleitet von mentaler Retardierung abgelöst wird. Die Geburtsinzidenz für PWS wird auf 1: 22000 geschätzt. Obwohl die Entwicklung eines aufgrund der Adipositas früh auftretenden Diabetes mellitus (DM) (mittleres Manifestationsalter 20,5 Jahre) bei ca. 25% der PWS-Patienten (Pt) nicht unerheblich zu Morbidität und Mortalität beiträgt, gibt es kaum Literatur über die Behandlung diabetischer PWS-Pt. Wir berichten über 2 adoleszente Pt mit PWS und DM.

Pt 1: Die mittlerweile 20jährige Frau mit bekanntem PWS stellte sich im Alter von 19 Jahren mit massiven Beinödemen, Belastungsdyspnoe sowie Polydipsie mit Poly- und Nykturie zur stationären Aufnahme vor. Die als Vormund bestimmte Patientenmutter berichtete über einen seit 2 Jahren bekannten, untherapierten DM und rezidivierende Beinödeme. Der initiale HbA1c-Wert lag bei 9,0%, der Nachweis von Inselzell-AK, GAD65-AK und IA2-AK verlief negativ. Unter initialer Insulintherapie und Reduktionskost konnte eine gute Stoffwechsellage sowie ein BMI-Rückgang von 52 auf 49kg/m2 erzielt und die Therapie auf Metformin umgestellt werden. Auf Lymphdrainage und Physiotherapie waren die Ödeme rückläufig. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten erfolgte eine Schulung der Pt, vor allem jedoch des Vormunds.

Pt 2: Das 16jährige Mädchen mit PWS fiel im Rahmen einer hausärztlichen Kontrolle bei bekannter Hypothyreose mit erhöhten Spontanblutzuckerwerten auf. Symptome wie Polyurie oder Polydipsie fehlten. Der anfängliche HbA1c-Wert lag bei 15,3%, die Suche nach Antikörpern blieb negativ. Eine Insulintherapie wurde begonnen, geschult wurden Pt, Pt-Eltern, Geschwister und Personal der besuchten Ganztageseinrichtung. Unter konsequenter Therapie einschließlich Bewegung und strikter Kalorieneinschränkung lag der HbA1c-Wert nach 3 Monaten bei 6,5%, der BMI hatte sich von initial 40 bei 39kg/m2 stabilisiert. Eine versuchte Umstellung auf alleinige Metformin-Therapie gelang jedoch nicht.

Wir schlussfolgern:

1) Für Pt mit PWS scheint es unzureichende Betreuungsmöglichkeiten in der Erwachsenenmedizin zu geben.

2) Schulungmaßnahmen müssen das gesamte Lebensumfeld der Pt mit einbeziehen.

3) Ein individualisiertes Therapiekonzept bestehend aus Insulin und Metformin ist anzustreben.