Diabetologie und Stoffwechsel 2009; 4 - P_102
DOI: 10.1055/s-0029-1221907

Die Hannover-Retionopathie-Studie: Sollen Jugendliche mit Typ 1 Diabetes vor Übergang in die Erwachsenenbetreuung mit einer Fluoreszenzangiografie untersucht werden?

J Lübbe 1, S Nikolic 2, M Wöckener 1, K Lange 3, D Brockmann 4, O Kordonouri 1, T Danne 1
  • 1Kinderkrankenhaus auf der Bult, Diabetes-Zentrum für Kinder und Jugendliche, Hannover, Germany
  • 2Gemeinschaftspraxis Drs. Witschel, Höing, Nikolic, Aser-Asaritis, Pohlmeyer, Fundulea, Hannover, Germany
  • 3Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung für Medizinische Psychologie, Hannover, Germany
  • 4Medizinische Hochschule Hannover, Abteilung für Augenheilkunde, Hannover, Germany

Fragestellung: Retinopathiescreening wird bei Jugendlichen mit Typ 1 Diabetes überwiegend durch Fundoskopie in Mydriasis durchgeführt. Wir verglichen dies mit der Untersuchung durch eine Laserpanoramakamera und durch eine Fluoreszenzangiografie bei Patienten in Langzeitbetreuung, für die Stoffwechseldaten seit Manifestation verfügbar waren.

Methodik: Pädiatrische Patienten (Alter ≤10J. oder ≤5J. Diabetesdauer), bei denen die Routineuntersuchung durch einen Augenarzt keinen auffälligen Befund ergeben hatten, wurden mit der Optomap Panoramic 200® (www.optos.com), einer nicht-mydriatischen Laserpanoramakamera im 200 Grad Winkel untersucht [Erstuntersuchung: n=367 (mittleres Alter (±SA): 14±3J.; Diabetesdauer: 6±4J. Langzeit-HbA1c: 7,7±1,1%; 45% weiblich); Zweituntersuchung nach 2–3 Jahren, n=192 (Alter: 16±2J.; Diabetesdauer 8±4J.; HbA1c: 7,5±1,0%; 41% weiblich)]. Bei Patienten >16 Jahren (n=44, Alter: 18.±1J.; Diabetesdauer 9±4J.; HbA1c:, 50% weiblich) wurde zudem eine Fluoreszenzangiografie durchgeführt. Kontrastmittelkomplikationen traten nicht auf; nur eine Untersuchung musste bei Kreislaufproblemen vorzeitig beendet werden.

Ergebnisse: Bei der ersten Optosuntersuchung wiesen 17 der 367 Patienten (4,7%) Mikroaneurysma – verdächtige Befunde auf. Bei Wiederholung der Untersuchung 2 bis 3 Jahre später bei 192 Patienten, wurden keine neuen Befunde beschrieben. Bei 13 der 17 Patienten mit auffälligem Erstbefund war die Zweituntersuchung unauffällig. Daher wurde in einer Untergruppe (Alter >16 Jahre) bei 44 Patienten eine Fluoreszenzangiografie durchgeführt, die bei 6 Patienten Mikroaneurysmen zeigte (Alter: 17–21 Jahre; Diabetesdauer: 6–16 Jahre; HbA1c: 6,8–9,1%), die in der Routineuntersuchung nicht diagnostiziert worden waren. Nur in einem von sechs Fällen war bei beidseitigen Veränderungen in der Angiografie der Befund in den Aufnahmen der Laserpanoramakamera auf einem Auge diagnostiziert worden. Die übrigen fünf positiven Befunde wären ohne Angiografie nicht gesehen worden.

Schlussfolgerung und Diskussion: Weder Funduskopie in Mydriasis noch Fundusphotograhie mit einer 200 Gradwinkel Laserpanormakamera sind geeignet, erste Frühveränderungen des Augenhintergrunds bei pädiatrischen Patienten zu erkennen. Es muss daher diskutiert werden, ob bei Jugendlichen mit hohem Risiko für Folgeerkrankungen (z.B. lange Diabetesdauer, hoher HbA1c) vor Übergang in die Erwachsenenbetreuung eine Fluoreszenzangiografie durchgeführt wird. Wenn diese Hochrisikogruppe für eine Erblindung rechtzeitig identifiziert wird, könnte sie nach den Ergebnissen der RASS-Studie von einer frühzeitigen Behandlung mit ACE-Hemmern profitieren.