Schlaf fördert das Erlernen motorischer Fähigkeiten (prozedurales Lernen). Dementsprechend sollte Schlafentzug das Gedächtnis für motorische Lernleistungen reduzieren. Okulomotorisches Training stellt eine Möglichkeit dar, motorisches Lernen zu untersuchen. Dabei soll die Häufigkeit frühzeitig einsetzender sakkadischer Reaktionen (Express-Sakkaden, ES) gesteigert werden.
In unserer Studie wollten wir die Auswirkungen von Schlaf bzw. Schlafentzug auf das Lernen von ES untersuchen. Die Hypothese war, dass Schlaf die Lernleistung verbessert (Erhöhung der ES Rate).
Die gesunden Probanden (Pbd) führten visuell geführte Sakkaden (N=240) aus. Die Häufigkeit von ES (Latenz 70–135ms) wurde sukzessive zu drei Zeitpunkten erhoben: vor einem sakkadischen Training (N=1000 Sakkaden), nach Schlaf/Schlafentzug und nach einer Erholungsnacht. Es wurde 5 Gruppen (je 10 Pbd) verglichen, die sich jeweils bzgl. initialer Testphase, initialem Training vor dem Schlaf bzw. Schlafentzug und einer einer Testphase nach dem Schlaf unterschieden. Nach vier Wochen erfolgte teilweise eine Testung dieser Pbd mit umgekehrten Schlafbedingungen.
In Gruppen 1 und 2 folgte einem initialen Test und Training entweder 8 Stunden Schlaf oder Schlafentzug. In drei Kontrollstudien wurden die Lernleistungen unter folgenden Bedingungen untersucht: (i) Schlafentzug ohne Training (Gruppe 3), (ii) Schlafentzug mit Training (Gruppe 4) und (iii) Schlafentzug ohne Training sowie ohne Vormessung, um den Vortest als eventuelles Training auszuschließen (Gruppe 5).
Testungen direkt nach Schlafentzug zeigten keine Steigerung der ES-Rate. Aber nach der Erholungsnacht stieg die Häufigkeit von ES um das Doppelte. Dieser Effekt blieb in den folgenden vier Wochen stabil. In den Gruppen 3–5 stieg die ES-Rate dann an, wenn am Morgen nach Schlafentzug eine Sakkaden-Testphase untersucht wurde.
Die Ergebnisse zeigen, dass Schlafentzug notwendig ist, um das Lernen von ES zu unterstützen, welche dann in der folgenden Schlafnacht konsolidiert wurden. In dieser Studie zeigen wir zum ersten Mal, dass nicht der Schlaf, sondern Schlafentzug eine Vorbedingung ist, um das Lernen visuo-motorischer Fähigkeiten zu verbessern. Normalerweise treten Lernerfolge erst nach einem Training von mehreren Tagen auf. Wir schließen daraus, dass Schlafentzug das Gehirn für das Lernen dieser visuo-motorischen Fähigkeiten sensibilisiert. Vermutlich werden synaptische Verbindungen zunächst gebahnt und nach dem Erholungsschlaf genutzt.