Klinische Neurophysiologie 2009; 40 - A162
DOI: 10.1055/s-0029-1216140

Supraspinale Lokomotionskontrolle in fMRI und PET – Anwendungsperspektiven bei Patienten mit Gangstörungen

K Jahn 1
  • 1München

Basierend auf den auf Rückenmarksebene festgelegten Grundbewegungsmustern wird das Gehen und Laufen bei Menschen durch die multisensorische und kognitive Kontrolle eines supraspinalen Netzwerkes modifiziert. Die Erkenntnisse über die hierarchische Organisation der beteiligten Hirnstrukturen stammen vorwiegend aus Tierversuchen an der Katze. Lokomotionszentren im Hirnstamm und Kleinhirn sind insbesondere für die Ganginitiierung, für Richtungsänderungen, für die Geschwindigkeitsanpassung und für die Reaktion auf Störreize von Bedeutung. In den letzten Jahren es ist uns gelungen, das supraspinale Netzwerk der Lokomotionskontrolle beim Menschen unter Anwendung eines Paradigma zur imaginierten Lokomotion in der funktionellen Kernspintomografie zu untersuchen. Es konnte ein der Katze ähnliches Netzwerk beim Menschen identifiziert werden. Die aktivierten Hirnstrukturen umfassen die Schrittmacher für den Ganginitiierung und Geschwindigkeitsregulation in der Mittellinie des Kleinhirns und im Tegmentum des Mittelhirns (cerebelläres und mesencephales Lokomotionszentrum) und die absteigenden Verbindungen zur pontinen Formatio reticularis. Die kortikale Kontrolle von Stand und Gang einschließlich der Aktivierung und Deaktivierung kortikaler multisensorischer Areale wird anforderungsgerecht modifiziert. In jüngster Zeit haben sich FDG-PET-Untersuchungen nach tatsächlicher Lokomotion als vielversprechende zusätzliche Methode erwiesen. Patienten mit Gangstörungen zeigen typische Änderungen der supraspinalen Hirnaktivierung. Beispielsweise zeigen Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese (PSP) eine stärkere sensorische kortikale Aktivität und reduzierte Aktivierungen im Mittelhirn. Therapeutisch wurde die tiefe Hirnstimulation bereits im Bereich möglicher Lokomotionszentren eingesetzt (Nucleus pedunculopontinus). Die Kenntnis der Umorganisation der supraspinalen Lokomotionskontrolle bei Patienten mit Gangstörungen wird hilfreich sein, um weitere pathophysiologisch orientierte Therapien vorzuschlagen und in ihrer Wirkung zu beurteilen.