Gesundheitswesen 2009; 71 - A62
DOI: 10.1055/s-0029-1215504

Psychiatrische Notfallversorgung, Krisenintervention, Zwangseinweisung in der Stadt Münster

E Gollmer 1
  • 1Gesundheitsamt Münster, Sozialpsychiatrischer Dienst

Die zwangsweise Unterbringung eines psychisch kranken Menschen im psychiatrischen Krankenhaus ist Folge einer Krisensituation und Teil der psychiatrischen Notfallbehandlung. Sie erfolgt, wenn es medizinisch unverzichtbar erscheint, den Patienten aus der belastenden Situation herauszunehmen und im psychiatrischen Krankenhaus eine fachkundige Behandlung zu ermöglichen.

Die spezifische Situation in Münster ist geprägt von der außerordentlich hohen Versorgungsdichte durch 3 psychiatrische Krankenhäuser mit auch überregionaler Versorgungsfunktion, einer beträchtlichen Zahl niedergelassener Nervenärzte und Psychotherapeuten sowie einem differenziert ausgebauten komplementären Betreuungssystem, mit in den letzten Jahren vermehrten Angeboten ambulanter und stationärer Eingliederungshilfe, tagesstrukturierenden und Beschäftigungsangeboten wie auch Betreuungs- und Behandlungsangeboten für spezielle Patientengruppen (z.B. Patienten mit Essstörungen). Bereits seit den 1990er Jahren bestehen eine kommunale Gesundheitsberichterstattung zum Unterbringungsgeschehen (1) und, in Ergänzung zum kommunalen Sozialpsychiatrischen Dienst, der Psychiatrische und psychosoziale Krisennotdienst an Wochenenden (Freitag 20 Uhr bis Montag 8 Uhr)(2). Dieser blickt trotz seiner minimalistischen Organisationsform und improvisierten Struktur auf eine Erfolgsgeschichte zurück, die sich in einer über viele Jahre konstanten (ca. 200–250 Fälle/Jahr) und zuletzt stark ansteigenden (2007: 524, 2008: 535 F/J) Inanspruchnahme darstellt. In 2007 erfolgten 225 Hausbesuche (43%), dabei (nur) 76 (69%) freiwillige Krankehauseinweisungen und 34 (31%) zwangsweise Unterbringungen. Der Sozialpsychiatrische Dienst zählte 2007 1753 Klienten, davon 836 Erstkontakte, führte 1149 Hausbesuche und (davon) 90 Kriseninterventionen durch. In Münster erfolgten 2006 823 Unterbringungen, davon 625 (76%) nach PsychKG NRW.

Der Abschlussbericht zum Forschungsprojekt „Kommunale Gesundheitsberichterstattung über psychiatrische Unterbringungen ...“ (3) bekräftigte die Notwendigkeit der kontinuierlichen Gesundheitsberichterstattung zum Unterbringungsgeschehen in den Kommunen. Das Poster stellt Daten zur Arbeit der ambulant-aufsuchenden kommunalen Dienste und zum Unterbringungsgeschehen in Münster vor und berichtet über den aktuellen Stand der psychiatrischen Notfallbehandlung.

Literatur: [1] Gollmer, E., Zwangseinweisungen und psychiatrische Versorgungsstruktur, Gesundheitswesen 60 (1998) 694–700. [2] Gollmer, E., Bericht über den Psychiatrischen und psychosozialen Krisennotdienst an Wochenenden in Münster (Manuskript, 4.8.2008). [3] Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung, Kommunale Gesundheitsberichterstattung über psychiatrische Unterbringungen und Möglichkeiten ihrer Nutzung im Rahmen eines gemeindepsychiatrischen Qualitätsmanagments, Universität Siegen, ZPE, November 2003