Gesundheitswesen 2009; 71 - A51
DOI: 10.1055/s-0029-1215493

Zahnbehandlung von Kindern in Narkose

MJ Koch 1
  • 1Poliklinik für Zahnerhaltungskunde, Universitätsklinikum Heidelberg

Die Zahnbehandlung in Narkose wird kontrovers diskutiert. Auf der einen Seite finden sich zunehmend Befürworter, die für Kinder solche Behandlungen anbieten, auf der anderen Seite gibt es Skeptiker, die für eine sehr strenge Indikationsstellung eintreten. Das Thema kann unter verschiedenen Aspekten beleuchtet werden: Ökonomische Aspekte aus der Sicht von Kostenträgern: Die Narkose ist per se ein Kostenfaktor. Außerdem wird im Rahmen einer umfassenden Zahnsanierung ein aufgelaufener Behandlungsbedarf auf einmal abgearbeitet, was die Kosten für solche Maßnahmen in die Höhe treibt. Ob es langfristig durch die Behandlung von Karies in Narkose zu Einspareffekten kommt, etwa durch geringere kieferorthopädische Behandlungskosten oder niedrigere Komplikationsraten kariöser Zähne, ist außerordentlich schwierig zu untersuchen, entsprechende wissenschaftliche Daten fehlen.

Ökonomische Aspekte aus der Sicht von Leistungserbringern: Wiederholte Behandlungsversuche unter Einbeziehung von Alternativen zur Narkose können sicher in vielen Fällen zum Ziel führen. In den Gebührenordnungen sind solche Maßnahmen aber nicht adäquat abgebildet. Spezialisierte Zahnärzte für Kinderzahnheilkunde, die eigentlich in besonderem Maße qualifiziert sein könnten, solche alternative Verfahren anzuwenden, werden daher möglicherweise unter Druck geraten, eher die Behandlung in Narkose anzubieten. Risiken der Zahnbehandlung in Narkose: Die Narkose weist für sich genommen Risiken auf. Schwerwiegende Komplikationen, bis hin zu Todesfällen, sind zwar sehr selten, sind aber auch bei Zahnbehandlungen in Narkose beobachtet worden. Daneben gibt es eine Reihe von häufigen Komplikationen wie Übelkeit und Erbrechen nach der Narkose. Nicht zu vergessen ist, dass das Einleiten der Narkose ebenso Angst einflößen kann wie eine Zahnbehandlung.

Es gibt daneben auch zahnmedizinische Aspekte, unter denen eine Behandlung in Narkose nicht ideal ist. So ist beispielsweise bei intraoraler Tubuslage eine Abformung erschwert, Okklusions- und sonstige Testungen können nicht vorgenommen werden. Weiterhin potentiell nachteilig ist die Forderung, die Behandlung in möglichst einer einzelnen Sitzung abzuschließen. Dies betrifft Behandlungen, die in mehreren Schritten erfolgen, etwa das Präparieren und das Eingliedern von Kronen/Brücken. Falls für eine derartige Behandlung mehrere Narkosen nötig werden, multiplizieren sich die Risiken entsprechend. Führt man einen Teil der Behandlung ohne Narkose durch, erhebt sich die Frage, warum man nicht die gesamte Therapie ohne Narkose planen konnte.

Vorteile der Zahnbehandlung in Narkose: Die Belastung durch zahnärztliche Eingriffe bei Kindern kann sich negativ auf die Kooperation und die Zahnbehandlungsangst eventueller späterer Behandlungen ungünstig auswirken. Dies versucht man durch die Behandlung in Narkose zu vermeiden. Manche Behandlungsverfahren sind bei Patienten, die unruhig oder unkooperativ sind, nicht möglich oder komplikationsträchtig. Letzteres kann etwa das Risiko der Verletzung von Nachbarzähnen oder angrenzenden Weichteilen sein. Derartige Komplikationen werden durch die Behandlung in Narkose minimiert. Selbst eine Lokalanästhesie weist Risiken auf, die in Narkose ggf. vermieden werden. Auch das Unterbleiben einer Behandlung kann Risiken bergen, aus einer unbehandelten Karies kann z.B. ein Abszess resultieren.

Zusammenfassend kann man sagen, dass es viele Gesichtspunkte gibt, die bei der Entscheidungsfindung für oder gegen eine Zahnbehandlung in Narkose abgewogen werden müssen. Die Frage der Indikationsstellung sollte auf den jeweiligen Einzelfall bezogen diskutiert werden.