Gesundheitswesen 2009; 71 - A29
DOI: 10.1055/s-0029-1215471

Aktuelle Erkenntnisse zu Lebensweisen und gesundheitlichen Risiken im Kindes- und Jugendalter

W Settertobulte 1
  • 1Gesellschaft für angewandte Sozialforschung, Gütersloh

Aktuelle Daten zur Gesundheitslage und zu Gesundheitsrisiken im Kindes- und Jugendalter liefern der Kinder- und Jugendgesundheitssurvey (KiGGS) des Robert Koch Instituts (RKI) von 2007 und die Studie „Health Behaviour in School-aged Cildren“ (HBSC) von 2006. Beide Surveys kommen zu dem Ergebnis, dass Übergewicht, Bewegungseinschränkungen sowie psychische Auffälligkeiten mit wachsender Häufigkeit zu beobachten sind. Bereits etwa ein Viertel bis ein Drittel aller Kinder ist diesbezüglich als Risikogruppe zu bezeichnen. Zurzeit sind in Deutschland etwa 15% der Kinder und Jugendlichen im Alter von 3 bis 17 Jahren übergewichtig, davon leiden ca. 6% an Adipositas. Entscheidend für die Entstehung von Übergewicht ist aber neben der ernährungsphysiologischen Qualität der verwendeten Nahrungsmittel vor allem die Einbindung des Essens in den Lebensalltag und in das Familienleben. Ungünstige Ernährungsgewohnheiten treten in der Bevölkerung ungleich verteilt auf, sozio-ökonomische Benachteiligung und Bildungsferne spielen bei der Vorhersage eine bedeutsame Rolle. Als Folgen von Bewegungsmangel im Kindes und Jugendalter lassen sich, neben dem zunehmenden Übergewicht, auch zunehmend unzureichende körperliche Fitness, vermehrte Haltungsschäden, eine Zunahme von Rückenbeschwerden sowie ein Abnehmen der geistigen Leistungsfähigkeit bei Jugendlichen beobachten. Verschiedenen Studien zu Folge kommen bereits 30–60% der Kinder mit Haltungsschäden oder Haltungsschwächen in die erste Klasse. Übergewichtige Kinder bewegen sich weniger und nehmen daher weiter zu. Sie entwickeln Defizite in der psychomotorischen Koordination und in der Herz-Kreislauf-Kondition. Bewegungsmangel, vor allem im Vorschulalter, wirkt sich zudem auf die Entwicklung der Körperkoordination aus. Dies macht die Kinder anfälliger für Unfälle und mindert ihre Leistungsfähigkeit langfristig. Im Alter von 9 Jahren leiden bereits etwa 20% der Kinder unter regelmäßig auftretenden Kopfschmerzen. Bei jedem dritten betroffenen Kind wird dieses Symptom durch „Ärger“ in der Familie oder der Schule ausgelöst und ist häufig von depressiven Stimmungen begleitet. Die KiGGS-Studie kommt zu dem Ergebnis, dass insgesamt ca. 12% der Mädchen und 18% der Jungen mindestens grenzwertige Auffälligkeiten im psychosozialen Bereichen haben. 5% der Kinder und Jugendlichen müssen aufgrund ungünstiger Entwicklungsverläufe aktuell als chronisch psychisch beeinträchtigt eingestuft werden. Je niedriger der sozioökonomische Status, desto wahrscheinlicher ist das Auftreten psychischer Störungen und Migrantenkinder sind ebenfalls häufiger betroffen. Psychische Probleme bei Kindern und Jugendlichen entstehen häufig durch familiäre Einflüsse oder werden mindestens durch diese verstärkt. Gleichzeitig können auch Schutzfaktoren in der Familie ausgemacht werden, die das Auftreten psychischer Probleme unwahrscheinlich machen. Diese bestehen vor allem in einem positiven Familienklima und in hohem familiären Zusammenhalt. Ebenso schützen persönliche Eigenschaften wie Optimismus und hohe Selbstwirksamkeit und soziale Faktoren wie etwa ein funktionierendes Netzwerk zur sozialen Unterstützung.