Klin Padiatr 2009; 221 - A77
DOI: 10.1055/s-0029-1214330

Schwere Vergiftungen von Kindern und Jugendlichen

M Hermanns-Clausen 1, U Stedtler 1
  • 1Vergiftungs-Informations-Zentrale (VIZ) Freiburg, ZKJ, Universitätsklinikum, Freiburg

Grundlagen: Vergiftungs- und Vergiftungsverdachtsfälle, die zur Konsultation eines Giftnotrufes führen, werden bei Kindern und Jugendlichen überwiegend durch Chemikalien (30%), Medikamente (24%) und Pflanzen/Pilze (22%) verursacht (VIZ-Jahresberichte 2001–2005). Wodurch jedoch werden schwere Vergiftungen ausgelöst?

Fallserie: Alle in den Jahren 2000–2005 von der Vergiftungs-Informations-Zentrale beratenen und als schwer eingestuften Vergiftungsfälle von Kindern und Jugendlichen (0–18 Jahre) wurden in Bezug auf Vergiftungsursachen, -umstände, Alter und Geschlecht retrospektiv ausgewertet.

Ergebnisse: 121-mal wurden schwere Intoxikationen erfasst. Vergiftungsfälle mit unbekannter Substanz oder mit unwahrscheinlicher Kausalität wurden ausgeschlossen. 104 Kinder und Jugendliche wurden in die retrospektive Studie eingeschlossen (Median 15 Jahre). Geschlechtsverteilung: 49 weiblich, 51männlich, 4-mal unbekannt. Vergiftungsumstände: Unfälle (42), Substanzmissbrauch (30), Suizidversuche (27), unbekannt (5). Vergiftungsursache waren Medikamente (46), Chemikalien (18), Alkoholika (18), Drogen (10), Pilze/Pflanzen (4), Andere (4). Die Altersverteilung wich bei den Chemikalien (1,08–18 Jahre, Median 4,5) nach unten und bei den Drogen (0–18 Jahre, Median 17,5) nach oben ab. Das männliche Geschlecht dominierte bei Alkohol und Drogen (60% bzw. 70%), Mädchen vergifteten sich eher mit Medikamenten schwer (59%). Bei Chemikalien überwogen Unfälle (82%).

Schlussfolgerung: Schwere Vergiftungen durch Chemikalien waren v.a. unfallbedingt und betrafen jüngere Kinder. Lebensbedrohliche Medikamentenvergiftungen waren bei jüngeren Kindern eher unfallbedingt, ab einem Alter von 13 Jahren aber häufiger Folge eines Suizidversuches. Ältere Kinder und Jugendliche vergifteten sich außerdem schwer durch Substanzmissbrauch mit Alkohol oder Drogen, wobei der Altersmedian der Drogenvergiftungen 2,5 Jahre über dem der Alkoholvergiftungen lag.