Ultraschall Med 2009; 30(1): 99-100
DOI: 10.1055/s-0029-1214184
DEGUM-Mitteilungen

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Nachruf - Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joachim Herbertz

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Publication Date:
27 February 2009 (online)

 

Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joachim Herbertz

Am 22. November 2008 verstarb Univ.-Prof. Dr.-Ing. Joachim HERBERTZ nach längerer Krankheit im Alter von 68 Jahren.

Er war als Physiker einer der international führender Wissenschaftler in der Akustik, Technik und Normung des Ultraschalls. Nach dem Studium der Physik arbeitete er an der TH Aachen von 1964-1978 bei Prof. Dr. Pohlman am historischen Laboratorium für Ultraschall , wo er 1972 in Elektrotechnik promovierte. Dort entwickelte er Meßverfahren u. a. für Ultraschall-Reinigungstechnik, und war an der mehrbändigen Ultraschall-Bibliografie Pohlmans beteiligt. 1978 erhielt er von der Deutschen Gesellschaft für zerstörungsfreie Prüfverfahren den BERTHOLD-Preis für Arbeiten über Ultraschallwellen. Als die TH Aachen das einzigartige Pohlman-Labor nicht weiterführte, weil sie die Bedeutung von Ultraschall unterschätzte, übernahm Herbertz das Labor und brachte es 1978 an die Universität Duisburg , wo er 1980 die in Deutschland einzige Professur für Ultraschalltechnik erhielt und bis 2005 innehatte. Unterstützend begründete er mit Prof. Dr. Brendel, PTB Braunschweig, die Gesellschaft für angewandte Ultraschallforschung e. V. (GEFAU) in Duisburg neu und war ihr Geschäftsführer . Bis Ende der 70er Jahre lag sein Arbeitsschwerpunkt im industriellen Leistungsschall und der Ultraschall-Materialprüfung, somit außerhalb der Medizin. und von DAUD/ DEGUM.

Anfang der 80er hat Herbertz die Empfindlichkeit des menschlichen Ohrs für Luftschall bei Ultraschallfrequenzen neu bestimmt , die neuartigen Bewertungen für Arbeits- und Lärmschutz eingesetzt, und in nationale und internationale Regeln umgesetzt (Normenausschüsse für Akustik, Lärmminderung und Schwingungstechnik im VDI Verband Deutscher Ingenieure und Vorläufer ). Danach wurde Herbertz – u. a. durch Anfragen der DEGUM, zusammen mit Brendel, PTB – auf die heftig einsetzende Diskussion zu Qualitätstandard und Sicherheit für Ultraschalldiagnostik aufmerksam. Er widmete diesem Thema seine ganze Kraft: durch richtungsweisende Beiträge zur schwellenbasierten Physik bei Bioeffekten durch Kavitation, in der Normenfindung und Regelsetzung , im Wissenstransfer und bei der Öffentlichkeitsarbeit, später auch auf normenpolitischer Ebene. Von 1984 – 2003 übernahm er die Leitung des neu etablierten Technischen Kommittees Ultraschall (TC 87 Ultrasonics ) innerhalb der IEC und erreichte dort insgesamt grosse Fortschritte für die Sicherheitsanforderungen in der Ultraschalldiagnostik . Nur zum Teil erfolgreich waren seine Bemühungen, die Expansion nationaler Standards der USA zur Weltnorm zu verhindern und durch eine von ihm und zahlreiche Experten favorisierte andere Systematik bei Bioeffektparametern und Risikoklassierung der Diagnostikgeräte abzulösen. Dies führte u. a. zur Publikation der GEFAU Standard N01 im Jahr 2001 und zu offiziellen Einsprüchen bei DIN/DKE , welche sich bis heute in Deutschland als Moratorium auswirkt.

Ab 2006 war Herbertz auch in der Normenarbeit der ISO tätig. Seine Bedenken betrafen die zukünftige Normenreihe zum Risikomanagement. Er setzte seine Bemühungen um die Patientensicherheit in der Medizin trotz schwindender Gesundheit noch bis Mitte 2008 in Gremien fort, deren Termine er um seine Krankenhausaufenthalte gruppierte. Die außerordentlichen Verdienste von Herbertz um die Normung des Gebiets haben DIN und VDI im März 2008 auf der Deutschen Jahrestagung für Akustik (DAGA) in Dresden mit der RUDOLF-MARTIN-Ehrenurkunde gewürdigt.

Herbertz wurde 1985 – bei der Planung der DEGUM-Feldstudie durch H G.Trier – Mitglied der DEGUM Sektion Naturwissenschaft und Technik und gehörte von 1992 –94 dem DEGUM-Vorstand an, mit dem Ressort Qualitäts- und Sicherheitsstandards und deren internaionale Koordination . Er vertrat seine Konzeption bei den Dreiländertreffen, in DEGUM-Workshops und -Resolutionen , in Kassenärztlichen Gremien und ärztlichen Berufsverbänden. Öffentlich und auf politischer Ebene agierte er gegen das Defizit an institutioneller Forschungs- und Entwicklungskapazität im Gebiet Ultraschall in der Medizin und forderte, die hohe wirtschaftliche und medizinischen Bedeutung der Ultraschallverfahren zu berücksichtigen.

Nach seiner Auffassung war die DEGUM als Fachgesellschaft durch seine Mitgliedern zu einer führenden Haltung in der Umsetzung von apparativen QS-und Sicherheits-Konzepten berufen. Seine beruflichen Weggefährten schätzten ihn als kritischen Geist mit großer Ausstrahlung, obwohl seine gedankliche oder rhetorische Schärfe die Diskutanden bisweilen überforderte.

An erfolgreichen Funktionen in der Fachwelt fehlte es Herbertz nicht. Er verband autarke Denkansätze, gedankliche Schärfe, ja Brillanz, mit Führungskraft und starkem, auch öffentlichem persönlichem Einsatz für seine Ziele.

Aus der Vielzahl seiner Ämter sei hier die Tätigkeit im Vorstand der Deutschen Gesellschaft für Akustik (DEGA) und der Jahrestagung DAGA erwähnt.

Nach dem ins Stocken geraten der Tagungsserie Ultrasonics International durch die Ansprüchen des Verlags IPC, initiierte er die non-profit Kongress-Serie World Congress on Ultrasonics (WCU). Diese internationale von der Gesesllschaft für Akustik getragene , alle 2 Jahre stattfindende, naturwissenschaftliche Tagung bietet ein Forum mit freiem Zugang für das Gesamtspektrum des Ultraschalls in Wissenschaft, Technik und Industrie, Biologie und Medizin . Herbertz war Organisator und Präsident der 1. WCU-Tagung in Berlin 1995 , und gab über die GEFAU die Proceedings mit über 300 Vorträgen heraus.

Eine schwere Erkrankung die er schon ein Mal in einem schweren Kampf in früheren Jahren besiegt hatte, riss Herbertz nun aus seinen weiteren Planungen.

Seine Leistungen in der internationalen Ultraschall-Normung waren und sind für die Ziele der DEGUM und der verwandten Gesellschaften in der Medizin weltweit von Bedeutung . Er hat sich um die Interessen der Anwender und Patienten in der Medizin stärker verdient gemacht, als viele wahrgenommen haben.

Denen, die ihn näher kannten, hinterläßt Joachim Herbertz die unvergessliche Erinnerung an einen herausragenden Wissenschaftler seines Fachs.