Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - A040
DOI: 10.1055/s-0029-1208296

Wochenbettdepression: Interdisziplinär und multimodal betrachtet

S Oddo 1, A Thiel 1, D Klinger 1, J Würzburg 1, C Grabmair 1, J Steetskamp 1, J Thiel 1, F Louwen 2, A Stirn 1
  • 1Uniklinik Frankfurt, Psychosomatik, Frankfurt, Germany
  • 2Uniklinik Frankfurt, Geburtshilfe und Pränatalmedizin, Frankfurt

Die Wochenbettdepression tritt zwischen der 2. und 6. Woche nach Geburt bei ca. 10% aller Entbundenen auf. Die Symptomatik umfasst zwiespältige Gefühle gegenüber dem Kind, Überforderung, Schuldgefühle, Schlafstörungen, Versagensängste bis hin zum Suizid und Infantizid. Bei ca. 10% der postpartal depressiven Patientinnen liegt gleichzeitig eine Bindungsstörung zugrunde. Zu den Ursachen und Risikofaktoren, der emotionalen Reaktion postpartal erkrankter Mütter auf das Kind, sowie das Selbstbild und die Persönlichkeitsstruktur liegen lediglich vereinzelt Befunde vor. Da die postpartale Depression (PPD) verheerende Auswirkungen sowohl für die Mutter als auch für die Entwicklung des Kindes haben kann, ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen gynäkologischen und psychosomatischen Fachdisziplinen dringend notwendig, und eine gezielte psychotherapeutische Betreuung von Relevanz. In unserem multimodalen Studienprojekt mit telefonischer Beratung rund um die Uhr (01577–4742654), Internetpräsenz (www.wochenbettdepression-hotline.de), klinischer, testpsychometrischer und bildgebender Untersuchungen werden zahlreiche Komponenten als mögliche Risikofaktoren und Ursachen untersucht. Es werden verschiedene Testverfahren zur Ermittlung PPD- Symptome und emotionaler Bindung eingesetzt, sowie Verfahren zur Körperwahrnehmung oder Persönlichkeit. Mittels fMRT-Untersuchung werden die neuronalen Korrelate der emotionalen Involviertheit zum eigenen versus fremden Kind bei Müttern mit PPD erfasst und mit einer gesunden Kontrollgruppe verglichen, sowie die neuronalen Grundlagen des Selbst- versus Fremdbildes untersucht. Die ersten Ergebnisse zeigen eine Prävalenz der PPD von 8%. Bei ca. einem Drittel der Patientinnen lag gleichzeitig eine verzögerte Bindung zum Kind vor. Mangelnde soziale Unterstützung hängt nicht mit der PPD zusammen, vielmehr spielen psychische Vorerkrankungen in der Eigen- und Fremdanamnese eine Rolle. Klinisch manifestiert sich eine Persönlichkeitsstruktur mit hohem Selbstanspruch und perfektionistischem Streben, sowie negativem Selbstwert. Die neuronalen Ergebnisse zeigen eine unterschiedliche emotionale Reaktion der postpartal depressiven Frauen im Vergleich zu den gesunden Frauen in limbischen Arealen und vor allem im orbitofrontalen Kortex beim Betrachten des eigenen Babys. Insgesamt handelt es sich um eine multikausal bedingte Erkrankung mit interindividuellen Unterschieden, die eine individuelle, umfassende Diagnostik und Behandlung erforderlich macht. Der Informationsaustausch über unsere Hotline und Webpage umfasst nach nur einem Jahr ein großes Netzwerk im Rhein- Main Gebiet und Deutschlandweit.