Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - A033
DOI: 10.1055/s-0029-1208289

Das Ende einer negierten Schwangerschaft – Hängt das Leben des Neugeborenen am „seidenen Faden“?

J Louda 1, N Schlotz 1, M Knieps 1, A Marneros 2, A Rohde 1
  • 1Universitätsklinikum, Gynäkologische Psychosomatik, Bonn, Germany
  • 2Universität, Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, Halle-Wittenberg

Der Neonatizid, die Tötung eines neugeborenen Kindes, erfolgt bis auf extrem seltene Ausnahmen durch die Mutter selbst. Dies wirft unweigerlich die Frage nach der (fehlenden?) Mutter-Kind-Bindung auf. Typischerweise zeigt sich, dass diese Frauen bereits im Vorfeld der Tat ihre Schwangerschaft negiert (verdrängt, ignoriert oder verheimlicht) haben und dass sie sich gedanklich nicht mit dem Kind auseinander gesetzt haben, geschweige denn eine emotionale Bindung aufgebaut haben. Doch eine negierte Schwangerschaft zieht nicht notwendigerweise einen Neonatizid nach sich, wie die Häufigkeiten klinischer Fälle von Schwangerschaftsnegierung ohne Kindstötung zeigen (ca. 1 negierte Schwangerschaft auf 475 Geburten in Deutschland, 20–40 getötete Neugeborene pro Jahr).

In der vorliegenden Studie werden zwei Gruppen von Frauen einander gegenüber gestellt: Frauen, die wegen der Tötung ihrer Kinder im Rahmen eines Strafverfahrens psychiatrisch begutachtet wurden (Neonatizid-Gruppe N=15, Durchschnittsalter=23,1J., SD=5,68) und Frauen, die ihre Schwangerschaft negiert, ihre Kinder aber nicht getötet haben (klinische Gruppe N=10, Durchschnittsalter=23,4J., SD=2,71). Mittels inhaltsanalytischer Verfahren wurden die Fälle vergleichend ausgewertet.

Neben soziodemographischen Aspekten werden Ergebnisse zur Dynamik der Schwangerschaftsnegierung, zugrundeliegenden Persönlichkeitsdefiziten sowie zur Tatdynamik dargestellt. Mittels Gegenüberstellung von Fallvignetten wird demonstriert, dass es manchmal „am seidenen Faden hängt, ob eine negierte Schwangerschaft zum Tod des Kindes führt, und dass die Dynamik der „Verdrängung zwischen Neonatizid- und klinischer Gruppe in vielerlei Hinsicht Ähnlichkeiten aufweist.