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DOI: 10.1055/s-0029-1208281
Wechselbad der Gefühle – wenn bei Mehrlingen „einer zuviel“ ist
Einleitung: In der Reproduktionsmedizin ist das Auftreten von Mehrlingsgraviditäten und den damit verbundenen Risiken für Mutter und Kind deutlich erhöht. Zwei unterschiedliche Konfliktlagen stellen Frauen vor eine schwierige Entscheidung. Zum einen die gesundheitlichen Risiken bei höhergradigen Mehrlingen, so dass über eine Reduktion gesunder Feten entschieden werden muss. Zum anderen kann ein Entscheidungskonflikt entstehen, wenn eines der Kinder einen pathologischen Befund aufweist und daher über einen selektiven Fetozid nachgedacht wird.
Methode: In dem Projekt „Psychosoziale Beratung vor, während und nach Pränataldiagnostik wurden 512 Frauen in eine prospektive Verlaufsuntersuchung eingeschlossen, 72 Frauen davon mit Mehrlingsschwangerschaft. Erfasst wurden im Zeitraum von 2 Jahren unter anderem Trauer und psychische Belastung.
Ergebnisse: In 44 Fällen war die Schwangerschaft durch Sterilitätsbehandlung entstanden. Bei 38 Schwangerschaften war pränataldiagnostisch ein pathologischer fetaler Befund festgestellt worden. Bei 34 Frauen lag eine höhergradige Mehrlingsgravidität mit gesunden Feten vor. Insgesamt entschieden sich 49 Frauen zu einer Reduktion (N=28 nicht-selektiv bei höhergradigen Mehrlingen, N=21 selektiv bei fetaler Pathologie). Die Ambivalenz zwischen Trauer und Freude nach der Entbindung wurde in der Befragung der Frauen deutlich. Beide Gruppen unterscheiden sich nicht in ihrer Trauer um das verlorene Kind (PGS), ebenso ist die psychische Belastung vergleichbar (BSI) – obwohl die Reduktion in sehr unterschiedlichen Schwangerschaftswochen stattfand (nicht-selektiv frühe, selektiv eher späte Schwangerschaft).
Schlussfolgerung: Entscheidungskonflikte bei Mehrlingsgraviditäten können zu deutlicher psychischer Belastung führen. Unabhängig von der Indikation zur Reduktion kommt es zu vergleichbaren Trauerreaktionen. Der psychosozialen Beratung kommt eine wichtige Funktion bei der Entscheidung und späteren Bewältigung zu, wobei spezielle Beratungsaspekte zu berücksichtigen sind.