Geburtshilfe Frauenheilkd 2009; 69 - A019
DOI: 10.1055/s-0029-1208276

Sind Männer das starke Geschlecht? – Traumatisch erlebte Entbindung beim Kindsvater

EL Eschholz 1, A Rohde 1
  • 1Universitätsklinikum Bonn, Gynäkologische Psychosomatik, Bonn, Germany

Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) treten in Folge traumatischer Erlebnisse auf. Neben potenziell traumatischen Stressoren, wie Vergewaltigung, Einsatz im Krieg, Kindesmisshandlung, sexueller Missbrauch oder Naturkatastrophen, deren Prävalenzen ausgiebig untersucht wurden, stellt die Geburt einen weiteren potenziellen traumatischen Stressor dar. Hierbei kann eine Geburt traumatisch erlebt werden, die objektiv gesehen ohne gravierende Komplikationen verlief. Trotz weniger epidemiologischer Untersuchungen muss man davon ausgehen, dass sich bei ungefähr 2% aller Entbindungen die volle Symptomatik einer PTBS entwickelt. Ist diese Problematik bei Frauen relativ wenig untersucht, so gibt es über die traumatisch erlebte Entbindung bei Männern praktisch keine Erkenntnisse.

Anhand eines Fallbeispiels werden die Entwicklung und die Konsequenzen einer traumatisch erlebten Entbindung bei einem 36-jährigen Mann beschrieben. Er erlebte die Entbindung seiner Zwillingssöhne auf Grund von Komplikationen und aus seiner Sicht unzureichender Nachbetreuung traumatisch, wobei seine 33-jährige Frau die Entbindung als schwierig erlebte, aber eben nicht traumatisch verarbeitete. In der von beiden ausgefüllten Selbsteinschätzungsskala für Posttraumatische Belastungsstörungen wurde die unterschiedliche Verarbeitung besonders deutlich. Der Kindsvater beschreibt anhaltendes Wiedererleben der Belastung durch aufdringliche lebendige Erinnerungen an die Geburt, er versucht diese Erinnerungen zu vermeiden und leidet unter einer erhöhten psychischen Sensitivität, die sich durch schlechte Stimmung, Konzentrationsstörungen, innerer Unruhe, erhöhter dünnhäutig sowie starkem Grübeln äußert.

Das Fallbeispiel unterstützt die These, dass nicht die Schwere der Entbindung an sich, sondern die subjektive Bewertung der Situation zu der Entwicklung einer PTBS führen kann. Desweiteren wird deutlich, dass die Nachbesprechung der Entbindung nicht nur für Frauen ein wichtiges Mittel zur Prophylaxe einer PTBS darstellt, sondern auch der Partner gezielt einbezogen werden sollte.