Dtsch Med Wochenschr 1910; 36(2): 62-66
DOI: 10.1055/s-0028-1142477
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Die Wirkung von Narcotica-Kombinationen. (Schluß aus No. 1.)

Emil Bürgi
  • Aus dem Medizinisch-chemischen und Pharmakologischen Institute der Universität in Bern
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Publication Date:
22 June 2009 (online)

Die Wirkung von Narcotica-Kombinationen

Zusammenfassung

Zwei gleichzeitig oder kurz nacheinander in den Organismus eingeführte Narcotica wirken im allgemeinen bedeutend stärker, als man einer einfachen Addition der zwei Einzeleffekte nach erwarten würde. Diese Verstärkung, die das zwei- und dreifache oder ein noch höheres Multiplum der durch Addition berechneten Wirkung ausmachen kann, ist am bedeutendsten dann, wenn die zwei Medikamente mit verschiedenen Substanzen des Organismus chemisch verwandt sind; d. h. wenn sie verschiedene Zellrezeptoren haben. Diesen Fall haben wir z. B. bei den Arzneikombinationen von Skopolamin mit Morphium oder einem Narcoticum der Fettreihe, ferner bei der Vereinigung von Morphium mit einem Narcoticum der Fettreihe vor uns. Die Wirkungen verschiedener Narcotica der Fettreihe unter sich dagegen (Paraldehyd, Chloralhydrat, Urethan) addieren sich im allgemeinen glatt, da diese Medikamente alle den gleichen Zellrezeptor (Lezithin-Cholestearin) haben.

Es wurde ferner gefunden, daß die Dosis x ein und desselben Narcoticum stärker wirkt, wenn sie in zwei oder mehreren rasch aufeinanderfolgenden Teildosen, als wenn sie auf einmal gegeben wird. Diese Tatsache wurde mit der Annahme erklärt, daß die Zelle in zwei resp. drei Zeiteinheiten von dergleichen Arzneimenge mehr aufnehmen kann als in einer Zeiteinheit. Andere Erklärungsmöglichkeiten wurden kurz erwähnt. Aus dieser und aus der érstgenannten Beobachtung ergab sich dann die Hypothese, daß eine Zelle aus einem Gemisch von zwei resp. drei Arzneien in der Zeiteinheit mehr an pharmakologisch wirksamer Substanz aufnehmen kann, wenn sie für jede der Arzneien einen besonderen Rezeptor hat. Es verlaufen dann mehrere chemische bzw. pharmakologische Reaktionen gleichzeitig nebeneinander. Außerdem kann man bei Anwendung eines Arzneigemisches infolge der verschiedenen Resorptionszeiten der einzelnen Bestandteile ein Nacheinander der Einzelwirkungen und damit wieder eine Verstärkung des Gesamteffektes erhalten.

Außer den genannten Narcoticakombinationen wurden auch Opiumalkaloid-, Brom- und Antipyreticagemische untersucht. Die mit den bisher untersuchten Gemengen erhaltenen Befunde und Anschauungen führten zu allgemeinen Betrachtungen über die Bedeutung von Arzneigemischen.

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