Dtsch Med Wochenschr 1925; 51(14): 557-559
DOI: 10.1055/s-0028-1136628
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Grundsätzliches zur Steinach-Operation

Hans R. Schinz, Benno Slotopolsky
  • Aus der Chirurgischen Universitätsklinik in Zürich. (Direktor: Prof. P. Clairmont.)
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
23. Mai 2009 (online)

Zusammenfassung

1. Der stimulierende Effekt der Steinach-Operation beruht nach der beim heutigen Stande unserer Kenntnisse plausibelsten Erklärung auf der Resorption der nach der Unterbindung massenhaft zerfallenden Samenepithelien und nicht auf einer Funktionssteigerung der „Pubertätsdrüse”. Eher kommt außerdem noch eine Neubelebung der später ja unter Umständen wieder regenerierenden „Samendrüse” in Betracht.

2. Die Röntgenbestrahlung der Hoden, bei der es zwar auch zu einer solchen Hypertrophie des Zwischengewebes, aber zu keinem nennenswerten Zerfall von Samenepithelien kommt, kann daher einer Steinach-Operation nicht als gleichwertig erachtet werden.

3. Die Röntgenbestrahlung der Hoden kann nur zu Sterilisationszwecken verwandt werden. Für eine Dauersterilisation ist ihr aber die doppelseitige Vasektomie überlegen.

4. Außer dieser eugenischen Indikation zur Steinach-Operation gibt es keine Indikation, bei der diese die Methode der Wahl wäre.

5. Als Adjuvans kann die Steinach-Operation nach Totalexstirpation von Karzinomen angewandt werden.

6. Eine doppelseitige Steinach-Operation kommt ferner bei allen Fällen von Senium praecox mit eunuchoiden Symptomen in Betracht, wenn die Testikel noch leidlich intakt sind. Die Aetiologie des Senium praecox spielt dabei keine Rolle, namentlich wenn es sich um lebensbedrohende Zustände handelt. Aber die Steinach-Operation ist auch hier nicht die Methode der Wahl, sondern nur gleichberechtigt mit anderen organotherapeutischen Methoden. Unbedingt sollten solche und auch eine Proteinkörpertherapie bei vorzeitiger sicherer somatischer Impotenz zuerst versucht werden, bevor hier als ultimum refugium eine Steinach-Operation vorgenommen wird, die im übrigen unter solchen Umständen zulässig ist.

7. Kontraindiziert ist die Steinach-Operation dagegen bei Sexualstörungen auf psychopathischer Grundlage, gleichviel, ob es sich um Impotente oder Hypersexualisten, Homosexuelle oder sonst Perverse, und ganz besonders, wenn es sich um jugendliche Individuen handelt.

8. Kontraindiziert ist die Steinach-Operation (als therapeutische, nicht als eugenische Maßnahme) unbedingt auch bei Geisteskrankheiten.

9. Abzulehnen ist auch eine gleichzeitige Vornahme der Steinach-Operation mit einem sonstigen örtlichen Eingriff an den Genitalorganen (Skrotalhernien usw. alter, heruntergekommener Leute), deren Erfolg zuerst abzuwarten ist.

10. Unberechtigt ist die Bezeichnung der Rekonvaleszenz in solchen Fällen als Verjüngung.

11. Unberechtigt ist es umgekehrt, als Mißerfolg des Steinach-Verfahrens Fälle zu buchen, in denen mit Wahrscheinlichkeit ein vollkommen atrophischer Hoden zugrundelag (keine nennenswerte Stauung und damit keine Resorption von Samenepithel mehr möglich).

12. Durch indikationsloses Operieren wird das Verfahren unnütz diskreditiert.

13. Durch Vernachlässigung der Mitwirkung suggestiver Momente bei einer Steinach-Operation am Menschen, die natürlich nie ohne Wissen des Patienten vorgenommen werden darf, ist umgekehrt eine Ueberschätzung der Operation möglich.

14. Ein sicheres definitives Urteil wird eher durch Tierversuche zu gewinnen sein, die unverdrossen fortzusetzen sind.

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