Dtsch Med Wochenschr 1925; 51(9): 355-357
DOI: 10.1055/s-0028-1136530
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Therapeutische Versuche mit Ertuban-Einspritzungen bei Tuberkulose. II. (Schluß aus Nr. 8.)

Herbert Clemens Mueller - Leitender Arzt der Viktoria Luise-Kinderheilstätte in Hohenlychen
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Publication Date:
23 May 2009 (online)

Therapeutische Versuche mit Ertuban-Einspritzungen bei Tuberkulose. I.

Zusammenfassung

Die vorliegende Untersuchung hat ergeben.

1. Ertuban erwies sich bei therapeutischer Anwendung als hochgradig spezifisch wirksam.

2. Die ursprünglich gewählte Dosierung war aber zu hoch; kräftige Reaktionen traten bereits nach den ersten Gaben und in einigen Fällen zu heftig auf. In 2 Fällen kam es zu Verschlechterungen des Lungenbefundes nach einmaliger Reaktion. In 10 Fällen bewirkte Ertuban dagegen erhebliche Besserung des Befundes, die vor der Einleitung der spezifischen Behandlung nicht eingetreten war. Dabei wurde die Beobachtung gemacht, daß eine einmalige Reaktion zur Einleitung anhaltender Besserung genügte.

3. Unsere Anschauung, daß zum Erfolge bei spezifischen Kuren die Erreichung einer geringen Reaktion frühzeitig anzustreben ist, fand durch diese Fälle eine Bestätigung.

4. Die Intrakutanprobe erwies sich als geeignet, über die Empfindlichkeit gegen das spezifische Mittel Aufschluß zu geben und eine Dosierung finden zu lassen, die sich nahe an der Dosis reactiva minima hält.

5. Dabei zeigte sich, daß kein Parallelismus besteht zwischen Stärke der Intrakutanreaktion und dem Stadium der Tuberkulose.

6. Dagegen besteht ein Parallelismus zwischen Intrakutanreaktion und Dosis reactiva minima: je größer die Empfindlichkeit der Haut für intrakutan einverleibtes Ertuban, desto niedriger die subkutane Dosis reactiva minima.

7. Treten schon bei intrakutaner Einverleibung Herd- oder Allgemeinreaktionen oder beide auf, so ist auch die Empfindlichkeit für Ertuban von der Subkutis aus verhältnismäßig hoch. Es ist dabei nicht notwendig, daß die M.M.R. lebhaft sei (siehe Fall 70 und 88).

Aus 2. und 3. geht hervor, daß bei intrakutaner Einverleibung die M.M.R. oder eine Herd- bzw. Allgemeinreaktion auf hohe Empfindlichkeit von der Subkutis aus hinweist; für die Praxis sind also alle etwa auftretenden Reaktionen zu berücksichtigen.

8. In jedem Falle ist die Intrakutanreaktion anzustellen, weil sie die Reaktivität für die subkutane Anwendung in einem dem Patienten günstigen Sinne beeinflußt.

9. Löst die Intrakutanreaktion eine deutliche Herd- bzw. Allgemeinreaktion aus, so halten wir den Zweck der Einverleibung zunächst für erreicht und unterbrechen die Behandlung.

10. Bei starker M.M.R. (ohne Herd- und Allgemeinreaktion). wird man die Anfangsdosis für die Behandlung niedrig, etwa bei 0,1 bis 1,0 ccm einer Verdünnung 1:1000 wählen (Tabelle 2).

11. Bei schwacher M.M.R. ist es zulässig, eine höhere Anfangsdosis (bis 0,1 ccm reines Ertuban) zu wählen und rasch zu steigen. Tritt Herd- und Allgemeinreaktion neben der M.M.R. auf, so ist nur die Anwendung kleinster Dosen, wie bei 10., erlaubt.

12. In bezug auf die Wiederholung der Behandlung bis zur spezifischen Reaktion muß das Gesamtbild (Allgemeinzustand, Ernährungszustand, subjektives Befinden, objektiver Befund, erneut angestellte Intrakutanreaktion) maßgebend sein.

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