Dtsch Med Wochenschr 1925; 51(9): 350-352
DOI: 10.1055/s-0028-1136526
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Das d'Hérellesche Phänomen und der N-Stoffwechsel der Bakterien1)

Walter Seiffert
  • Aus dem Hygienischen Institut der Universität in Freiburg i. Br. (Direktor: Geh.-Rat Uhlenhuth.)
1) Die folgenden Untersuchungen wurden mit der dankenswerten Hilfe der Rockefellerstiftung durchgeführt. Ein Teil der hier mitgeteilten Ergebnisse wurde auf dem Naturforscherkongreß in Innsbruck vorgetragen.
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Publication Date:
23 May 2009 (online)

Zusammenfassung

Zusammenfassung der Versuchsergebnisse. Der von mir vermutete Zusammenhang zwischen dem d'Hérelleschen Phänomen und dem N-Stoffwechsel der Bakterien hat sich experimentell erhärten lassen. Wir haben gesehen, daß die Entwicklung d'Hérellescher Agentien an die Anwesenheit von Eiweiß bzw. höherer Eiweißspaltprodukte gebunden ist; wo sie fehlen, bleibt die Vermehrung der Agentien aus, auch wenn die Vermehrung der Bakterien eine vorzügliche ist. Bei solchen Bakterien, die durch ihr weitgehendes Abbauvermögen bekannt sind, kommt es auch in Gegenwart von Eiweiß nicht zur Bildung der lytischen Elemente, wenn sich nur der Eiwißverbrauch in gewissen Grenzen hält. Damit ist meine Vermutung, daß das d'Hérellesche Phänomen auf die Anhäufung bestimmter Stoffwechselprodukte zurückgeht, die eines weiteren Abbaus fähig sind, von neuem experimentell gestützt. In gleicher Weise ließ sich die Richtigkeit der Annahme demonstrieren, daß die Aufnahme des Nahrungseiweißes der Bakterienauflösung entgegenarbeitet. So sprechen alle Befunde zugunsten der Autolysetheorie des d'Hérelleschen Phänomens.

Auch bei der Auflösung unter physiologischer NaCl-Lösung kommen natürlich nur autolytische Prozesse in Frage. Da das Phänomen an den Eiweißmangel gebunden ist, dokumentiert es sich als Hungerautolyse. Für eine Erklärung des Auflösungsmechanismus sind die spontanen leeren Flecke bedeutungsvoll; sie lassen darauf schließen, daß auch hier ein ursächliches Agens vorhanden ist, das zentral entstand und sich nach allen Seiten gleichmäßig ausbreitete. Ein solches Agens hat sich zwar nicht nachweisen lassen; doch verschwinden auch sichere d'Hérellesche Agentien auf eiweißfreien Nährböden, sodaß der fehlende Nachweis nicht viel besagen will. Auch die sonstige Gleichartigkeit der Auflösungsbilder deutet auf einen engen Zusammenhang beider Erscheinungen hin.

Darum darf man freilich noch nicht beide miteinander identifizieren; denn wir fanden bei den Pyozyaneusstämmen, daß die spontane Entstehung der agenshaltigen tâches vièrges an die Gegenwart von Eiweiß gebunden ist, während unsere Hungerautolyse nur bei Eiweißmangel eintritt. Wenn wir bei dem d'Hérelleschen Phänomen aktivierende Abbauprodukte des Nahrungseiweißes als kausales Agens angenommen hatten, so kommen solche hier nicht in Frage.

Nun wissen wir aber, daß gerade in eiweißfreien Medien die Bakterien sehr schnell absterben — viel schneller als in den gewöhnlichen Nährböden. So wäre denn zwar kein der Aufspaltung unterworfenes Nahrungseiweiß, aber dafür zerfallendes Bakterieneiweiß zur Stelle. Weiterhin fanden wir die Lysosensibilität der Bakterien auf eiweißfreien Nährböden beträchtlich erhöht, es können sich auflösungsfördernde Momente viel leichter auswirken als auf Peptonagar. Und schließlich wäre noch zu erwähnen, daß in unseren Versuchen über die Hungerautolyse die häufigsten Lösungen unter leicht eiweißhaltigen Flüssigkeiten (verdünnte Bouillon usw.) eingetreten sind; es scheint also, als ob geringe Eiweißmengen in der Lage sind, die tryptischen Prozesse in Gang zu setzen, die dann bis zur Autolyse weiterlaufen.

Danach würde es sich bei der Auflösung auf eiweißfreiem wie auf eiweißhaltigem Nährboden um dasselbe Prinzip handeln: um eine Autolyse auf Grund der Aktivierung der intrabakteriellen Fermente durch zerfallendes Eiweiß — das eine Mal durch zerfallendes Nahrungseiweiß, das andere Mal durch zerfallendes Bakterieneiweiß.

(Herr Okamoto, der diese Versuche auf meine Veranlassung durchführte, wird über die Einzelheiten der Ergebnisse in der Zschr. f. Immun. Forsch. ausführlich berichten.)

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