Gastroenterologie up2date 2009; 5(1): 2-3
DOI: 10.1055/s-0028-1119672
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© Georg Thieme Verlag Stuttgart KG · New York

Screeningkoloskopie: Längere Zeitabstände möglich – bei guten Untersuchungsbedingungen

Jürgen  F.  Riemann
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Publikationsdatum:
17. März 2009 (online)

Kommentar zu:

5-Jahres-Risiko für eine kolorektale Neoplasie nach einer negativen Screeningkoloskopie

Five-Year Risk of Colorectal Neoplasia after Negative Screening Colonoscopy

Imperiale TF, Glowinski EA, Lin-Cooper C, Larkin GN, Rogge JD, Ransohoff DF

Hintergrund: Die Koloskopie asymptomatischer Patienten hat sich als effektiv erwiesen, um präkanzeröse Veränderungen und manifeste Karzinome zu entdecken. Unklar ist jedoch der adäquate Zeitabstand zwischen den Untersuchungen. Die gängigen Richtlinien empfehlen eine Sigmoideoskopie alle 5 und eine Koloskopie alle 10 Jahre. T.F. Imperiale et al. haben dazu eine retrospektive Untersuchung durchgeführt.

Methoden: Die Autoren untersuchten retrospektiv 2436 Koloskopieergebnisse. 1256 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 56,7 Jahren wurden nach 5 Jahren erneut untersucht. Die Koloskopien führten 36 Spezialisten aus dem US-Bundesstaat Indiana durch. Befundungskriterien waren Polypen, hyperplastische Polypen, Adenome, dysplastische Adenome und Karzinome.

Ergebnisse: Im Erstbefund hatten 2436 Personen keine Adenome und 1057 keine Polypen. Hyperplastische Polypen fanden sich in 199 Fällen. Bei der Wiederholungsuntersuchung nach 5 Jahren wurden keine Karzinome gefunden. 201 Patienten (16 %) hatten 1 oder mehrere neoplastische Polypen. 16 Patienten hatten 19 Polypen mit fortgeschrittener Dysplasie (1,3 %). Mindestens 1 Adenom fand sich bei 47 der 199 Patienten mit hyperplastischen Polypen in der Ausgangsuntersuchung (23,6 %). Von 1057 Patienten mit unauffälligem Erstbefund hatten jetzt 154 hyperplastische Polypen (14,6 %). Das 5-Jahres-Risiko für alle Neoplasien war für Männer größer als für Frauen. Männliches Geschlecht und hyperplastische Polypen beim 1. Screening waren unabhängige Risikofaktoren für Adenome bei der Folgekoloskopie. Fortgeschrittene Adenome hatten 4 von 199 Patienten mit hyperplastischen Polypen in der Erstuntersuchung (2 %). Von den übrigen hatten jetzt 12 dysplastische Adenome (1,1 %).

Folgerungen: Bei unauffälligem Erstbefund waren die Wahrscheinlichkeiten für Kolonkarzinome und Präkanzerosen in einer Folgekoloskopie nach 5 Jahren extrem gering. Das Risiko für fortgeschrittene Adenome war für Frauen geringer als für Männer. Die Ergebnisse entsprachen den Resultaten anderer Studien, die einen Minimalabstand von 5 Jahren zwischen Screeningkoloskopien vorschlagen, so die Autoren.

N Engl J Med 2008; 359: 1218 – 1224

(zusammengefasst von Dr. Susanne Krome, Melle)

Längere Intervalle? Die Screeningkoloskopie zur Darmkrebsprävention und -früherkennung ist in Deutschland seit 2002 etabliert. Bei asymptomatischen Personen über 50 Jahren mit normalem Risiko finden sich in ca. 18 – 20 % Adenome und in ca. 1 % Karzinome. Offen ist der Zeitpunkt einer Kontrolle bei negativer Erstuntersuchung.

Die Arbeitsgruppe um Imperiale hat in einer retrospektiven Analyse eine Kohorte von 2436 Personen mit unauffälliger Indexkoloskopie analysiert, von denen ca. die Hälfte nach 5 Jahren erneut gespiegelt wurde. Sie fanden bei dieser Gruppe kein Karzinom, bei 16 % Adenome, davon 1,3 % fortgeschritten. Männer waren häufiger betroffen als Frauen. Die Autoren halten daher bei Personen mit negativer Erstuntersuchung ein 5-Jahres-Intervall, möglicherweise sogar einen längeren Zeitraum für adäquat.

Voraussetzungen und Ausnahmen. Diese retrospektive Studie belegt einmal mehr, dass Nachuntersuchungszeiträume großzügig angesetzt werden können, vorausgesetzt, die negative Indexkoloskopie wurde von qualifizierten Untersuchern, bei sehr guten Untersuchungsbedingungen und bei Personen mit normalem Risiko vorgenommen. Die Studie schwächt bisherige Daten über eine Intervallkarzinomrate von bis zu 2,4 % ab.

Sie zeigt aber auch, was sich immer deutlicher abzeichnet: Männer haben ein höheres Risiko. Erschwerend kommt noch hinzu, dass Männer bekanntermaßen „Vorsorgemuffel” sind.

Die Rolle der hyperplastischen Polypen ist inzwischen neu zu bewerten. In dieser Gruppe sind „serratierte Adenome” (sessile, traditionelle) enthalten, die durchaus ein erhöhtes Entartungsrisiko in sich tragen (traditionelle mehr als sessile). Hier ist der Pathologe gefordert.

Praktisches Vorgehen. Die qualitätsgesicherte Erstuntersuchung ist somit der Schlüssel für die Bemessung des Nachuntersuchungsintervalls. Die Deutsche Gesellschaft für Verdauungs- und Stoffwechselkrankheiten hat dieser Tatsache Rechnung getragen und ein Kontrollintervall bei den oben genannten Voraussetzungen von sogar 10 Jahren empfohlen. Man muss allerdings darüber nachdenken, ob Männer früher zur Vorsorge aufgefordert und engmaschiger kontrolliert werden sollten.

Die vorliegende Studie kann auch auf deutsche Verhältnisse übertragen werden; sie liefert einen weiteren Beleg für diese Vorgehensweise bei Kontrollintervallen, die schon früher angestoßen wurde [1].

Literatur

  • 1 Brenner H, Chang-Claude J, Seiler C M. et al . Does a negative screening colonoscopy ever need to be repeated?.  Gut. 2006;  55 1145-1150

Prof. Dr. J. F. Riemann

ehem. Direktor der Medizinischen Klinik C am Klinikum Ludwigshafen
Internist/Gastroenterologe

Parkstr. 49
67061 Ludwigshafen

eMail: riemannj@garps.de