Suchttherapie 2008; 9 - A1
DOI: 10.1055/s-0028-1117342

Praktischer Kurs Akupunktur in der Suchtmedizin

J Brack 1, E Weber-Böse 2
  • 1Praxis für Psychiatrie und Neurologie, Hamburg
  • 2Asklepios Kliniken Hamburg GmbH

Seit nun über 10 Jahren setzen wir bei uns in der Alkohol- und Drogenentzugsbehandlung auf allen Stationen und im teilstationären Bereich sowie in der Institutsambulanz der Abteilung für Abhängigkeitserkrankungen der Asklepios Klinik Nord in Hamburg die Suchtakupunktur als zusätzliche Methode neben der auch weiterhin notwendigen medikamentösen Entzugsbehandlung ein. Vor allem das Krankenpflegepersonal wendet die Suchtakupunktur am Patienten an.

Die Patienten müssen vor der Anwendung der Akupunktur einen Aufklärungsbogen unterschreiben, in dem sie über mögliche Nebenwirkungen, die jedoch äußerst gering sind, aufgeklärt und darauf hingewiesen werden, dass es sich dabei um keine schulmedizinische Behandlung handelt.

Insgesamt beteiligen sich an unserem Akupunkturangebot ca. 60% der Patienten, die alkohol- oder drogenabhängig sind, von den über 3500 jährlich, stationär, teilstationär oder ambulant behandelten Patienten.

In einer Stichprobenbefragung berichteten 88% der Patienten, die sich an der Akupunktur beteiligten, dass ihnen die Akupunktur geholfen habe den Entzug besser zu bewältigen. Die Suchtakupunktur führt zu einer physischen und psychischen Stabilisierung, Entspannung und mehr innerer Ruhe, einem vermindertem Craving und einer verbesserten Schlafregulation. Sicherlich spielen neben der direkten Wirkung der Akupunktur auch das Setting und die intensive Zuwendung, die den Patienten bei der Akupunktur zuteil wird, eine nicht unerhebliche Rolle. Bei den Patienten kommen die folgenden 5 Ohrakupunkturpunkte, die jeweils an beiden Ohren genadelt werden, zur Anwendung:

„Shen-Men – Tor des Geistes“ (Wirkung: beruhigend, anxiolytisch, analgetisch, Unruhe dämpfend, Offenheit), Vegetativum (Wirkung: wirkt auf das autonome Nervensystem – Einfluss auf Entzugssymptome, wie Schwitzen, tränende Augen und Darmkrämpfe), Niere (Wirkung: Erhöhung der Grundenergie, anxiolytisch, Ausscheidung toxischer Stoffe), Leber (Wirkung: Ausscheidung von Giftstoffen, emotionale Ausgeglichenheit, harmonisches Zusammenspiel der Körperprozesse) und Lunge (Wirkung: Förderung der Atmung und der Ausscheidung giftiger Substanzen).

Zusätzlich wird insbesondere bei starken Schmerzen, der Körperakupunkturpunkt „Dickdarm 4“–4. Punkt des Dickdarm-Meridians- (Wirkung: analgetisch, laxierend) im Handbereich gestochen. Bei hartnäckiger Schlaflosigkeit oder starker innerer Unruhe werden die Kopfakupunkturpunkte „Du Mai 20“, verbunden mit den Schlafkranzpunkten (5 Punkte im Bereich der Fontanelle) und der Punkt „Ying-Tang – Punkt der immerwährenden Schönheit“ (Wirkung: beruhigend, anxiolytisch) genadelt.

Alle Körperteile Organe und Funktionen sind am Ohr repräsentiert. Der menschlichen Fötus in seiner intrauterinen Haltung wird dabei auf das Ohr projiziert.

In dem angebotenen Kurs liegt der Schwerpunkt auf der Praxis. Die aufgeführten Akupunkturpunkte werden soweit vermittelt bzw. gegenseitig ausgeführt, dass jeder/e nach dem Kurs die entsprechenden Punkte am Patienten anwenden und weitere Erfahrungen sammeln kann. Vorab wird in dem Kurs die Theorie der Traditionellen Chinesischen Medizin ausschnittsweise punktuell vermittelt und dabei die Akupunktur in dieses Gesamtkonzept eingeordnet.

Der Kurs richtet sich an einen Personenkreis, der die Grundlagen der Suchtakupunktur erlernen möchte und ist nicht geeignet für Kolleginnen und Kollegen, die fortgeschrittene Akupunkturkenntnisse vermittelt bekommen wollen.

Zusammenfassend kann der Einsatz der Akupunktur in der Entzugsbehandlung – ohne ihn als den Königsweg in der Behandlung zu verabsolutieren – als eine effektive und auch kostengünstige Methode weiterempfohlen werden.

Literatur:

Baudis, R. et al: Punkte der Wandlung, Suchtakupunktur nach dem NADA-Protokoll. Verlag für Psychologie, Sozialarbeit und Sucht

U. Hecker: Ohr-, Schädel-, Mund-, Hand-Akupunktur. 1996 Hippokrates Verlag

Kaptchuk, Ted J.: Das große Buch der chinesischen Medizin. 1993 Verlag O.W. Barth – Heilkundliches Wissen

König und Wancura: Einführung in die chinesische Ohrakupunktur

H. P. Ogal, B. C. Kolster: Ohrakupunktur. 1997 Praxisreihe

E. Oudemans: Alkohol- und Drogenentzugsbehandlung. 1995 Antilla Fortbildung Berlin.

Smith MO: Acupuncture treatment for crack: clinical survey of 1.500 patients treated. Am J. acupuncture 1988; 16:241

K. Strauß und W. Weidig: Akupunktur in der Suchtmedizin. 1997 Hippokrates Verlag Stuttgart.

Internet-Adressen: www.akupunktur-aktuell.de, www.ak-ohrakupunktur.de, www.suchtverlag.de