Dtsch Med Wochenschr 1974; 99(49): 2489-2497
DOI: 10.1055/s-0028-1108159
© Georg Thieme Verlag, Stuttgart

Mißbrauch bromhaltiger Schlaf- und Beruhigungsmittel

Ein aktuelles SuchtproblemAbuse of bromo-ureides and bromides: an acute addiction problemW. Poser, S. Poser, M. Echternkamp
  • Psychiatrische Universitätsklinik Göttingen (Direktor: Prof. Dr. J. E. Meyer) und
  • Institut für Pharmakologie und Toxikologie der Universität Göttingen (Direktor: Prof. Dr. A. Hasselblatt)
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Publication Date:
08 April 2009 (online)

Zusammenfassung

Seit 1968 hat die Zahl der Aufnahmen von Patienten, die Abusus mit bromhaltigen Präparaten treiben, deutlich zugenommen. Im Gegensatz zu den Jahren davor wurden überwiegend Bromureide (Bromcarbamide) verwendet. Der Mißbrauch von Bromiden hat abgenommen. Suchtmäßiger Mißbrauch von Bromiden und Bromureiden tritt selten isoliert auf. Am häufigsten war die Kombination mit Alkohol-, Barbiturat- und Antihistaminika-Abusus. Von den 104 Patienten waren 68 Frauen, die meisten davon Hausfrauen. Daneben waren auffallend häufig medizinische Berufe betroffen. An klinischen Symptomen wurden am häufigsten Gangataxie, Dysarthrie und Tremor beobachtet. In der Entzugsphase trat bei 27 Patienten ein Prädelir oder Delir auf. Bromureide wurden in den letzten Jahren mindestens ebenso häufig wie Barbiturate zum Suizid oder Suizidversuch benutzt. Durch Bromidbestimmung kann der Abusus sowohl von Bromiden als auch von Bromureiden diagnostiziert werden. Als Eliminationshalbwertszeit für Bromid, bei einem Teil der Patienten berechnet, ergaben sich 11,4 Tage, wenn keine Maßnahmen zur Eliminationsbeschleunigung ergriffen wurden. Bei Plasma-Bromidkonzentrationen über 40 mg/dl nach Einnahme von Bromureiden muß mit Sucht gerechnet werden. Die Einführung der Rezeptpflicht für Bromureide wird gefordert.

Summary

Admission of addicts to bromide-containing drugs has increased since 1968, bromo-ureides now being preferred to bromides. Addiction to these drugs is frequently combined with alcoholism or abuse of barbiturates, benzodiazepines or antihistaminics. Out of 104 patients 68 were women, most of them housewives. Medical personnel was over-represented. The most prominent clinical findings were ataxia, speech disturbances and tremor. Withdrawal delirium occurred in 27 patients. The number of attempted suicides was about the same with bromo-ureides as with barbiturates. Abuse of bromo-ureides and bromides can be detected by bromide determination in body fluids. Mean half-life of bromide in plasma is about 11.4 days for uncomplicated cases, but the elimination can be increased by chloride supplement. Bromide plasma levels above 40 mg/dl point to bromo-ureides abuse. It is recommended that »over the counter« sale of bromides and bromo-ureides be restricted.

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