Pneumologie 2008; 62 - A4
DOI: 10.1055/s-0028-1108024

Arbeitsmedizinische Vorsorge bei Mitarbeitern in einer neu eingerichteten Phytaseproduktion

S Webendörfer 1, G Ott 1, A Zober 1
  • 1Innere Medizin, Arbeitsmedizin, BASF, Ludwigshafen

Hintergrund: Phytase ist eine Phosphohydrolase, die als Futtermitteladditiv in der Tiermast eingesetzt und aus Kulturen von Aspergillus niger industriell gewonnen wird. Der Kontakt mit phytasehaltigem Staub kann Sensibilisierungen der Haut und Atemwege hervorrufen. Daher sind die Anforderungen an die Hygiene am Arbeitsplatz hoch.

Methodik: In einer neu eingerichteten Produktionsanlage für Phytase wurden Anfang 2006 vor Inbetriebnahme bei 54 Mitarbeitern arbeitsmedizinische Erstuntersuchungen nach dem berufsgenossenschaftlichen Grundsatz 23 (Obstruktive Atemwegserkrankungen) durchgeführt. In einem Fragebogen wurde gezielt nach pulmologischen Vorerkrankungen, nach bereits bekanntem Asthmaleiden und Allergien gefragt. Ergänzend zur allgemeinen körperlichen Untersuchung erfolgten eine Bodyplethysmografie und die Bestimmung diverser Laborparameter incl. des Gesamt-IgE. Die spezifischen IgE gegen Phytase wurden im Zentralinstitut für Arbeitsmedizin und Maritime Medizin, Hamburg, Dir. Prof. Dr. X. Baur, bestimmt und zeigten erwartungsgemäß bei allen Untersuchten ein negatives Ergebnis:

Bei zwei Mitarbeitern wurden wegen eines vorbestehenden therapiebedürftigen Asthma bronchiale „Dauerhafte gesundheitliche Bedenken“ gegen die geplante Tätigkeit ausgesprochen.

Drei Monate nach Produktionsbeginn klagten acht Mitarbeiter – ausschließlich Raucher und Exraucher –über Atembeschwerden nach Reinigungsarbeiten in der Anlage (6) und über allgemeine Beschwerden (2). Nächtlicher Reizhusten und eine Belastungsdyspnoe standen dabei im Vordergrund.

Keimmessungen (koloniebildende Einheiten/m3, KBE) innerhalb und außerhalb der Anlage zeigten erhöhte Werte bis 2500KBE/m3 im Innenraum (s. Abb.1). Qualitativ konnten u.a. Aspergillus fumigatus und Cladosporium herbarum nachgewiesen werden.

Abb. 1

Ergebnis: In Zusammenarbeit mit dem Werksarzt, der Arbeitssicherheit und dem Betrieb wurde die Situation am Arbeitsplatz diskutiert und anschließend verändert:

Technik: Umbau der Anlage in einer geplanten Produktionspause zur Verbesserung des Produkttransportes und zur Reduktion der Luftfeuchtigkeit im Gebäude. Beschichtung der Böden zur verbesserten Reinigung.

Organisation: Beschleunigter Abtransport von enzymhaltigen Material. Persönlicher Schutz: Einsatz von Filtermasken und HHHandschuhen bei Reinigungs- und Umfüllarbeiten. Einheitliche Hygienerichtlinien für den Laborbereich (s. Abb.2 und 3).

Abb. 2

Abb. 3: Keimzahlbestimmung „Knollenbrecher“ April 2006 – Mai 2007

Kontrollmessungen zeigten die Wirksamkeit der Maßnahmen anhand eines Rückgangs der KBE/m3 im Gebäude (Abb. 3).

Bei der regulären Nachuntersuchung nach G23 Anfang 2007 waren alle Mitarbeiter beschwerdefrei. In sechs Fällen waren die spezifischen IgE gegen Phytase positiv – darunter auch bei zwei Mitarbeitern, die zuvor über Atemwegsbeschwerden geklagt hatten. Antikörper gegen Schimmelpilze fanden sich aber nicht.

Folgerung: Die Ergebnisse zeigen die Wichtigkeit der arbeitsmedizinischen Vorsorge bei Umgang mit sensibilisierenden Substanzen am Arbeitsplatz. Bei Neueinrichtung von Produktionsanlagen ist die betriebsärztliche Beratung obligat.

Mitarbeiter mit Asthma oder chronischen Hautläsionen sollten nicht mit sensibilisierenden Substanzen arbeiten. Bei neu auftretenden gesund- heitlichen Problemen am Arbeitsplatz steht die Zusammenarbeit von Betriebsarzt, Sicherheitsfachkraft und Betriebsleitung bei der Ursachensuche im Vordergrund, um die Schutzmaßnahmen im Betrieb effektiv zu gestalten. Dabei stehen immer die technischen Verbesserungen im Vordergrund vor Veränderung der Arbeitsorganisation und dem zeitlich begrenzten Einsatz persönlicher Schutzausrüstung.

Bestimmung spezifischer IgE zum Nachweis einer Sensibilisierung ist hilfreich. In den nächsten Jahren muss geprüft werden, ob sich die Anzahl positiver spezifischer IgE in unserem Kollektiv verändert und ob dabei ein signifikanter Zusammenhang mit bereits zuvor erhöhten Werten für das Gesamt IgE besteht. Erst das Auftreten einer Allergiesymptomatik am Arbeitsplatz oder einer obstruktiven Ventilationsstörung macht die Einleitung eines Berufskrankheitenverfahrens nach Nr.4301 notwendig.

Abb. 4: Veränderung der Lungenfunktion bei einem symptomatischen Mitarbeiter