Gesundheitswesen 2009; 71(1): 24-25
DOI: 10.1055/s-0028-1102931
Kommentar

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der Teufel steckt im Detail …

The Devil is in the Details …O. Schöffski 1
  • 1Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement, Universität Erlangen-Nürnberg
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
27. Januar 2009 (online)

Der Aufsatz von Braun et al. [1] adressiert ein wichtiges Thema der Gesundheitsökonomie, nämlich die Frage der Standardisierung der Bewertung von Ressourcenverbräuchen bei gesundheitsökonomischen Evaluationen. Die Autoren beschränken sich dabei pragmatisch auf die Perspektive der Gesetzlichen Krankenversicherung, da diese sehr häufig im Mittelpunkt entsprechender Studien steht. Dieses ist richtig, man muss sich allerdings immer vor Augen halten, dass die „faire” Bewertung bestimmter Produkte und Dienstleistungen mit dieser Einschränkung oft nicht möglich sein wird, da die Effekte dieser Maßnahmen weit über die GKV hinausstrahlen (z. B. in der Indikation Demenz in den Pflegebereich, bei der Heroinersatztherapie gesellschaftliche Auswirkungen durch reduzierte Beschaffungskriminalität).

Wozu wird eine solche Standardisierung überhaupt benötigt? Innerhalb einer vergleichenden Studie werden die Effekte der Bewertungsmethode eher zu vernachlässigen sein und durch Sensitivitätsanalysen aufgedeckt werden können. Richtig relevant wird es erst beim Vergleich zwischen Studien (Meta-Analysen), der umso besser gelingt, je homogener die Bewertung vorgenommen wurde. Eine Standardisierung der Bewertung von Ressourcenverbräuchen ist damit unbedingt wünschenswert. Man kann dabei entweder sehr detaillierte Vorgaben machen oder eher pragmatisch grobe Bewertungsvorschriften geben. Der vorliegende Aufsatz lässt sich nicht eindeutig in eine der beiden Richtungen einordnen, was an einigen Beispielen verdeutlich werden soll.

Die Autoren schlagen beispielsweise vor bei der Preisfindung bei Arzneimitteln immer die größte Packungseinheit (N3) zu verwenden. Mit dieser normativen Festlegung lässt sich gut arbeiten, sie wird aber die realen Bedingungen nur bei chronischen Erkrankungen widerspiegeln. Die Autoren schreiben selbst, dass „in begründeten Einzelfällen” von dieser Regel abgewichen werden kann. Damit wäre die Vergleichbarkeit zwischen Studien wieder nicht gegeben und man könnte die Forderung aufstellen, dass die Bewertungsregeln indikationsspezifisch aufgestellt werden (z. B. Bewertungsvorschriften bei Diabetes anders als bei einer Infektion). Der Detaillierungsgrad müsste damit wesentlich feiner werden als bislang vorgesehen. Die Autoren beschreiben weiterhin sehr detailliert die Vorgehensweise der Ermittlung der Arzneimittelkosten aus Sicht der GKV für verschiedene Arzneimittelklassen. Dieses kann einerseits als zu detailliert angesehen werden, da sich die entsprechenden Rahmenbedingungen nahezu jährlich ändern und man die bewertenden Institutionen damit zwingt, sich regelmäßig über den aktuellen Stand der Gesetzgebung (z. B. gesetzliche Rabatte auf den verschiedenen Handelsstufen, Selbstbeteiligungsregelungen) zu informieren, was aufgrund der Dynamik keine triviale Aufgabe ist und natürlich auch Vergleiche zwischen Studien im Zeitverlauf erschwert. Auf der anderen Seite sind die Vorschläge auch wieder nicht detailliert genug. So wird meist die Patientenzuzahlung berücksichtig, obwohl – je nach Indikation unterschiedlich – ein größerer Prozentsatz von Verordnungen wegen den Überforderungsregeln davon ausgenommen ist. Eigentlich müsste man daher in Studien den Selbstbeteiligungsstatus der Patienten erfassen, um ein realistisches Bild zu erhalten, dieser Status kann sich innerhalb eines Jahres auch noch ändern.

Weiterhin ist zu fragen, wofür solch ein Ansatz zur Standardisierung der Methodik überhaupt verwendet werden soll. Soll er eine Lösung geben für die praktischen Probleme, die bei der Auswertung von Studiendaten heute regelmäßig auftreten (ex post), oder soll er genutzt werden zur Planung von Studien, damit später alle die Daten vorliegen, die für die Bewertung auch benötigt werden (ex ante). Der vorliegende Ansatz verfolgt offensichtlich den zweiten Ansatz und ist damit in der Lage, mittelfristig die Bewertungsqualität entsprechender Studien zu verbessern. Kurzfristig werden bei der nicht optimalen Datenlage von Studien weiterhin Probleme auftauchen, die mit den Vorgaben nicht gelöst werden können. So existieren heute noch Datensätze, bei denen bei einem Krankenhausaufenthalt nicht die DRG-Codierung, sondern nur die Dauer des Aufenthalts angegeben ist. Im ambulanten Bereich gibt es häufig keine Liste der abgerechneten EBM-Ziffern, sondern nur eine Angabe zur Anzahl der Arztkontakte. Wie geht man damit um? Hier wäre eine standardisierte Vorgehensweise sicherlich auch sehr relevant. Aus diesem Grund wird der vorliegende Aufsatz wohl eher mittelfristig seine positive Wirkung entfalten, indem er dafür sorgt, dass Studien entsprechend angelegt werden. Über den Detaillierungsgrad der Bewertungsvorschriften sollte man in der wissenschaftlichen Community noch eingehender diskutieren. Man könnte noch tiefer ins Detail gehen (evtl. indikationsspezifisch) oder aber auch eine sehr viel gröbere Vorschrift erstellen (z. B. immer N3, immer Apothekenabgabepreis ohne Berücksichtigung der Rabatte).

Wie man die Bewertung konkret standardisiert, ist wahrscheinlich gar nicht so relevant, die Hauptsache ist, dass überhaupt standardisiert wird. Vor diesem Hintergrund handelt es sich bei dem vorliegenden Text von Braun u. a. um einen wichtigen Meilenstein, vielleicht ist der Weg aber noch nicht zu Ende.

Literatur

  • 1 Braun S, Prenzler A, Schulenburg JM von der. et al . Bewertung von Ressourcenverbräuchen im deutschen Gesundheitswesen aus Sicht der Gesetzlichen Krankenversicherung.  Gesundheitswesen. 2009;  71 19-23

Korrespondenzadresse

Prof. Dr. O. SchöffskiMPH 

Lehrstuhl für Gesundheitsmanagement

Universität Erlangen-Nürnberg

Lange Gasse 20

90403 Nürnberg

eMail: oliver.schoeffski@wiso.uni-erlangen.de