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DOI: 10.1055/s-0028-1098900
© Georg Thieme Verlag Stuttgart ˙ New York
Kommentar auf Anforderung der Schriftleitung zu Benedix et al. 2009
Comment to Benedix et al. 2009Publication History
Publication Date:
17 June 2009 (online)
Bariatrische Chirurgie macht Freude, erfordert sie doch neben chirurgischem Können in besonderer Weise auch ein ganzheitliches empathisches ärztliches Denken und ist darüber hinaus auch sehr erfolgreich. Kurzfristige Erfolge nach bariatrischen Eingriffen machen euphorisch und lassen uns gerne übersehen, dass wir mit diesen Eingriffen neben chirurgieimmanenten Akutkomplikationen auch Langzeitkomplikationen verursachen, die – wie Benedix et al. sehr schön herausgearbeitet haben – in bis zu 25 % Revisionseingriffe nach sich ziehen.
Derzeit erfolgen ca. 2000 bariatrische Eingriffe pro Jahr in Deutschland, eine Steigerung um den Faktor 10 bis 20 auf den Europäischen Durchschnitt ist zu erwarten. Dies bedeutet, dass wir schon heute auf bis zu 500, künftig womöglich auf bis zu 10 000 Revisionseingriffe pro Jahr vorbereitet sein müssen.
Benedix et al. legen den Schwerpunkt Ihrer Übersichtsarbeit auf Spätfolgen adipositaschirurgischer Eingriffe. Alle wichtigen Verfahren werden einschließlich ihrer typischen Langzeitkomplikationen dargestellt und entsprechende Lösungsansätze strukturiert aufgezeigt. Eine Begrenzung der Adipositaschirurgie aufgrund ihrer Komplexizität und insbesondere des Risikoprofils der Patienten auf einige Zentren wird immer wieder diskutiert und lässt sich wohl kaum mehr bewerkstelligen. Zu groß ist das Interesse der Chirurgen am Neuen, die Erwartungshaltung der Patienten und nicht zuletzt das enorme Sendungsbewusstsein der Industrie, die in jeder noch so kleinen Stadt ein „Adipositaszentrum“ aufzubauen hilft. Nach unserem Dafürhalten sollte sich aber jeder, der überlegt, chirurgisch an dieses komplexe Hochrisikopatientengut heranzugehen, zuerst über das Komplikationsmanagement und die Beherrschung von Langzeitkomplikationen Gedanken machen. Artikel wie der von Benedix et al. sollten daher als Pflichtlektüre vor dem ersten bariatrischen Eingriff und vor der ersten Pressemitteilung über das erste erfolgreiche Magenband oder die erste erfolgreiche Sleeve-Gastrektomie angesehen werden. Die hier aufgezeigten Langzeitrisiken sind bei rechtzeitigem Erkennen und situationsgerechtem Handeln in der Regel beherrschbar. Komplexe elektive Reeingriffe wie Umwandlungsoperationen bei unbefriedigendem Gewichtsverlust werden hochspezialisierten interdisziplinär aufgebauten „Zentren“ vorbehalten bleiben müssen. Das Kennen und Erkennen typischer Komplikationen und die Beurteilung der Dringlichkeit des chirurgischen Handelns ist von jedem, der adipositaschirurgische Eingriffe durchführt, zu fordern. Im vergangenen Jahr mussten wir wiederholt Notfallzuweisungen von Patienten mit zum Teil lebensbedrohlichen, sich akut zuspitzenden Spätkomplikationen erfahren.
Zum Teil mussten die Betroffenen unter Lebensgefahr spektakuläre Umwege auf sich nehmen. Operateure, die selbst das betreffende Magenband implantiert hatten, lehnten unverantwortlicherweise jegliches Komplikationsmanagement ab! Darüber hinaus stellt die häufig zu beobachtende Fehleinschätzung der Akutsituation durch den jeweiligen Chirurgen ein schwerwiegendes Problem dar.
Das Erkennen von akut auftretenden Spätkomplikationen mit der Notwendigkeit des unverzüglichen Handelns (z. B. innere Hernierung, Bandslipping mit Pouchokklusion und Ischämie) muss künftig auch von jedem Viszeralchirurgen verlangt werden dürfen, da diese Ereignisse mit der Zunahme an Primäreingriffen ebenso flächendeckend zunehmen werden.
Zusammenfassend ist die Lektüre des Beitrags der Magdeburger Arbeitsgruppe jedem Viszeralchirurgen zu empfehlen.
PD Dr. med. T. P. Hüttl
Chirurgische Klinik und Poliklinik · Klinikum der Universität München – Campus Großhadern
81366 München
Email: thomas.huettl@med.uni-muenchen.de