Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(44): 2292
DOI: 10.1055/s-0028-1091276
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Leserbrief
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Neurologie 2008

Neurology 2008A. Zieger
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Publication Date:
22 October 2008 (online)

Zum Beitrag aus der DMW Nr. 25/26 2008

Zu einem Abschnitt in dem Beitrag von Straube [7] „Das apallische Syndrom oder „minimal conscious state” (MCS) ist ein klinisches Bild ....” (Unterstreichungen von mir, A.Z.) möchte ich Folgendes anmerken: Diese Aussage entspricht nicht dem Stand der klinischen Erkenntnis und Nomenklatur. Das apallische Syndrom (engl. vegetative state) ist keineswegs mit dem minimal conscious (oder responsive) state gleichzusetzen. Der MCS ist vielmehr ein frühes Remissionsstadium aus dem Vollbild des vegetative state (apallisches Syndrom, Wachkoma), welches sich durch Fixieren, Augenfolgebewegungen und schließlich auch ein minimales Antwortverhalten mit gerichteten (intendierten) Bewegungen, Befolgen motorischer Aufforderungen sowie mimischen und (non-)verbalen Antworten ankündigt bzw. manifestiert [1] [2]. Beide Zustandsbilder sind wegen ihrer unterschiedlichen Prognose unbedingt zu unterscheiden. Patienten im Vollbild des apallischen Syndroms sind regelmäßig auf Zeichen eines minimalen Antwortverhaltens von erfahrenen Neurologen zu untersuchen. Zusätzlich werden in großen Zentren Verfahren der neuen Bildgebung hinzugezogen [5].

Die Besonderheit des von Schiff et al. [6] geschilderten Falles liegt darin, dass bei einem Patienten im Vollbild des vegetative state durch bithalamische elektrische Stimulation ein minimal responsiver (bewusster) Status induziert werden konnte. Auf einem ähnlichen Mechanismus beruhen aber auch andere Therapieansätze wie zum Beispiel die multisensorische Stimulationstherapie, die seit den 80er Jahren in der Frührehabilitation mehr oder weniger erfolgreich eingesetzt wird [3] [8].

Die Autoren scheinen mit ihrem Verfahren, die mit funktioneller Bildgebung kombiniert werden muss, somit ein quasiexperimentelles Modell zur Erfassung von wirksamen Therapieansätzen eines schweren Krankheitsbildes gefunden zu haben, welches bisher nahezu als aussichtslos zu behandeln galt [4].

Literatur

  • 1 Giacino J T. The vegetative and minimally conscious states: consensus-based criteria for establishing diagnosis and prognosis.  NeuroRehabilitation. 2004;  19 (4) 293-298
  • 2 Giacino J T, Malone R. The vegetative and minimally conscious state. In: Young GB, Wijdicks WM (Eds.): Disorders of Conciousness.  Handbook of Neurology. 2008;  90 99-111
  • 3 Heindorf R, Müller S V, Zieger A. Evidenzbasierte neuropsychologische Therapie in der neurologischen Frührehabilitation von komatösen und apallischen Patienten.  Zeitschrift für Neuropsychologie. 2007;  18 (1) 29-39
  • 4 Laureys S, Giacino J T, Schiff N D. et al . How should functional imaging of patients with disorders of consciousness contribute to their clinical rehabilitation needs?.  Current Opinions in Neurology. 2006;  19 520-527
  • 5 Owen A M, Coleman M R, Boly M. et al . Detecting awareness in the vegetative state.  Science. 2006;  313 (9) 1402
  • 6 Schiff N D, Giacino J T, Kalmar K. et al . Behavioural improvements with thalamic stimulation after severe traumatic brain injury.  Nature. 2007;  448 600-603
  • 7 Straube A. Neurologie 2008.  Dtsch med Wochenschr. 2008;  133 1384-1386
  • 8 Zieger A. Neuropsychologisch orientierte Frührehabilitation aus ärztlicher Sicht. In: Zieger A, Schönle PW Neurorehabilitation bei diffuser Hirnschädigung. Bad Honnef Hippocampus-Verlag 2004: 3-70

Apl. Prof. Dr. med. Andreas Zieger

Ev. Krankenhaus Oldenburg, Neurorehabilitation, Abt. für Schwerst-Schädel-Hirngeschädigte, Früh- und Weiterführende Rehabilitation, Wachkomazentrum

Steinweg 13–17

26122 Oldenburg

Email: Dr.andreas.zieger@evangelischeskrankenhaus.de

URL: http://www.neurozentrum.de

URL: http://www.a-zieger.de

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