Dtsch Med Wochenschr 2008; 133(42): 2178
DOI: 10.1055/s-0028-1091261
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Zum aktuellen Stand der Hygiene-Leitlinien

Status quo in hygiene guidelinesH. Rüden
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Publication Date:
07 October 2008 (online)

Zu den aktuellen Hygiene-Leitlinien / Vorschriften habe ich folgende Fragen: Gibt es Untersuchungen zu Infektionen durch

Hautkeime der Patienten bei s. c., i. c. oder i. m. Injektionen? Keime an Instrumenten bei Hauteingriffen (z. B. Naht von Kopfplatzwunden, Entfernung von Nahtmaterial)?

Wie ist hierzu der wissenschaftliche Evidenzgrad? Wenn ein dermatologischer Arzt behauptet, dass man ohne Infektionsgefahr in eine Hautwunde „spucken” kann, verwundert die Notwendigkeit sterilen Arbeitens – reicht nicht auch desinfizieren?

Mir sind keine Studien bekannt, die Infektionen nach i. c., s. c. und i. m.-Injektionen nach endogener (patienteneigener) und exogener (Personal, Umgebung) Flora als Infektionserreger überprüft hätten. Es gibt Untersuchungen bei Diabetespatienten, die sich selbst Insulin injiziert und vor der Injektion nur eine Reinigung (Wasser) oder eine Desinfektion oder gar keine Hautvorbereitung durchgeführt hatten. Es kam bei keinem Verfahren zu einer Infektion. Allerdings war der Stichprobenumfang zu klein (50 Patienten pro Arm), so dass diese Studie nicht als Argumentationshilfe herangezogen werden kann [1] .

Die Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention beim Robert Koch-Institut ordnet die Hautdesinfektion in die Kategorie IB und IV ein, Kategorie IB bedeutet Konsensusbeschluss von Experten – also keine Evidenz – und Kategorie IV bezieht sich auf rechtliche Vorgaben. Sollte es zu einem Spritzenabszess kommen und der Betroffene strengt eine Klage an, dann ist der Beklagte in einer ungünstigen Position, denn er muss beweisen, dass es sich um eine nicht vermeidbare endogene Infektion handelt, wenn die Hautdesinfektion nicht sachgerecht bzw. gar nicht durchgeführt wurde.

Instrumente zur Wundversorgung müssen steril sein. Diese Forderung ist experimentell belegt und jederzeit reproduzierbar. Mit der Desinfektion ist eine Inaktivierung von vegetativen Bakterien, Pilzen und Viren möglich, es erfolgt aber keine Inaktivierung von Bakterien, die auch als Dauerformen (Sporen) existieren, dazu gehören zum Beispiel Clostridium perfringens oder Clostridium tetani; dies ist erst über die Sterilisation möglich [2] . Um diese Dauerformen nicht z. B. in ein traumatisiertes, schlecht durchblutetes Wundgebiet durch das Instrumentarium zu bringen, ist die Sterilisation erforderlich.

Theoretisch könnten desinfizierte Instrumente zur Nahtentfernung eingesetzt werden. Wie oft kommt es aber nach Entfernung einer Naht zur Dehiszenz, und dann würde man bereits wieder sterile Instrumente zur Wundversorgung benötigen, deshalb soll, um gegen Überraschungen gewappnet zu sein, mit sterilen Instrumenten gearbeitet werden.

Literatur

  • 1 McCarthy J A, Covarrubias B, Sink P. Is the traditional alcohol wipe necessary before an insulin injection? Dogma disputed.  Diabetes Care. 1993;  16 (1) 402
  • 2 Kramer A, Assadian O. Wallhäußers Praxis der Sterilisation, Desinfektion, Antiseptik und Konservierung. Stuttgart; Thieme Verlag 2008

Prof. Dr. med. Henning Rüden

Beratender Krankenhaushygieniker, Zentrale Krankenhaushygiene

Wiltbergstraße 50, Haus 114

13125 Berlin

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