Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_264
DOI: 10.1055/s-0028-1088500

Symptome, Behandlung und klinische Prognosefaktoren bei 435 konsekutiv behandelten Palliativpatienten mit fortgeschrittenen Tumoren des Gastrointestinaltrakts

D Gencer 1, N Kästle-Larralde 1, L Pilz 2, A Weiss 1, RD Hofheinz 1
  • 1Universitätsklinikum, III. Medizinische Klinik für Hämatologie und Onkologie, Mannheim
  • 2Deutsches Krebsforschungszentrum, Biostatistik, Heidelberg

Patienten und Methoden: Nur wenige Untersuchungen beschäftigen sich mit der Behandlung von Patienten mit fortgeschrittenen gastrointestinalen (GI) Tumorerkrankungen auf Palliativstationen. In der vorliegenden Studie untersuchten wir mithilfe einer prospektiv geführten Datenbank alle Patienten mit GI Tumoren, welche im Zeitraum von 1998 bis 2006 auf der Palliativstation des Universitätsklinikums Mannheim behandelt wurden. Dabei war die Evaluation der Aufnahmesymptome und der supportiven Behandlung auf der Palliativstation interesseleitend. Des Weiteren wurden Prognosefaktoren für das Überleben der Patienten mittels uni- und multivariater Analyse untersucht und das weitere Schicksal der Patienten nach Entlassung verfolgt. Ergebnisse: Insgesamt wurden 737 Aufenthalte von 435 konsekutiven Patienten analysiert (kolorektale Karzinome 37%, Magenkarzinome 19%, Pankreaskarzinome 18%; Ösophaguskarzinome 13%). Die häufigsten Symptome, welche zur stationären Aufnahme führten, waren Schmerzen (67%), Inappetenz (61%), Gewichtsverlust (39%), Übelkeit/Erbrechen (37%) und Dyspnoe (36%). 72% der Patienten benötigten zur Therapie ihrer Schmerzen Morphinderivate. In 33% der Fälle erhielten die Patienten Erythrozytenkonzentrate, in 31% der Fälle eine parenterale Ernährung. Nur in 14% der stationären Aufenthalte war eine endoskopische Intervention erforderlich (diagnostisch und/oder therapeutisch). Die Anlage einer perkutanen endoskopischen Gastrostomie war bei 5% der Patienten notwendig. In unserer Analyse zeigte sich zudem, dass Patienten mit GI Tumoren signifikant häufiger auf der Palliativstation verstarben als Patienten mit anderen fortgeschrittenen Tumorerkrankungen (48,9% versus 39,7%; p<0.0005). Das mediane Überleben, berechnet ab dem Tag der erstmaligen Aufnahme auf die Palliativstation, betrug 35 Tage (3- und 6-Monats-Überlebensrate: 25% bzw. 15%). In der univariaten Analyse konnten einige klinische und laborchemische Parameter als prognostisch ungünstige Faktoren für das Überleben der Patienten identifiziert werden. Dabei zeigte sich, dass die Symptome Übelkeit/Erbrechen, Inappetenz, Dyspnoe und Aszites, sowie erhöhte Werte für die Laktatdehydrogenase (LDH), das Serumkalzium (Albumin-korrigiert) und die Leukozytenzahl, bzw. erniedrigte Werte für das Serumalbumin und das Hämoglobin in signifikantem Zusammenhang mit einem verkürzten Überleben der Patienten standen. Die Cox'sche Regressionsanalyse identifizierte fünf unabhängige statistisch signifikante Prognosefaktoren: Das Vorhandensein von Aszites und Inappetenz, erhöhte Werte für die LDH und für die Leukozytenanzahl sowie erniedrigte Werte für das Serumalbumin. Anhand dieser Prognosefaktoren konnten die Patienten in drei Risikogruppen unterteilt werden: niedriges Risiko (0–1 vorhandene Prognosefaktoren; medianes Überleben 136 Tage), mittleres Risiko (2–3 Faktoren; medianes Überleben 43 Tage) und hohes Risiko (4–5 Faktoren; medianes Überleben 18 Tage). Mit p<0,0001 zeigte sich eine hohe Signifikanz dieser Risikogruppierung.

Fazit: Am häufigsten litten die Patienten bei ihrer Aufnahme an Schmerzen, die in der Mehrzahl der Fälle mit Morphinderivaten behandelt werden mussten. Es zeigte sich zudem, dass Patienten mit GI Tumoren signifikant häufiger auf der Palliativstation verstarben als Patienten mit anderen fortgeschrittenen Tumorerkrankungen, möglicherweise eine Folge der Therapie über mehrere Therapielinien. Fünf Parameter konnten als unabhängige Prognosefaktoren für das Überleben der Patienten identifiziert werden. Diese Parameter könnten in Zukunft dazu beitragen, zusätzlich zum „klinischen Blick“ die Prognose von Patienten mit fortgeschrittenen GI Tumoren besser abzuschätzen und ggf. auf weitere Therapielinien zu verzichten. Eine multizentrische Erhebung zur Validierung der Prognosefaktoren ist in Vorbereitung.