Zeitschrift für Palliativmedizin 2008; 9 - PW_258
DOI: 10.1055/s-0028-1088494

Geburt versus Tod: Subjektives Wohlbefinden, Lebenssinn und persönliche Werte von Beschäftigten in Palliative Care und auf Geburtenstationen

M Brandstätter 1, S L'hoste 1, G Hauke 1, 2, M Kögler 1, GD Borasio 1, M Fegg 1
  • 1Ludwig-Maximilians-Universität, Interdisziplinäres Zentrum für Palliativmedizin, München
  • 2Coaching Academy CIP-GmbH, München

Hintergrund: Nach aktuellen Theorien der Sozialpsychologie führt die Konfrontation mit dem Tod zu spezifischen Bewältigungsstrategien in Bezug auf Todesangst, die sich in persönlichen Werten widerspiegeln und das subjektive Wohlbefinden beeinflussen. Die Terror Management Theorie (TMT) geht davon aus, dass Menschen ihrer Todesangst mittels zweier Mechanismen begegnen: (1) der Glaube an ein kulturell vermitteltes Weltbild; (2) das Selbstwerterleben, das sich durch die Erfüllung der erwarteten Standards nach diesem Weltbild ableitet. Ergänzend dazu erfolgt die Schaffung von Lebenssinn durch wertorientiertes Handeln. Diese Untersuchung vergleicht individuellen Lebenssinn, subjektives Wohlbefinden sowie persönliche Werte von Beschäftigten auf Palliativ- und Geburtenstationen. Methode: Beschäftigte in Palliative Care und Mitarbeiter auf Geburtenstationen von vier Münchner Kliniken wurden mit dem Schedule for Meaning in Life Evaluation (SMiLE), dem Schwartz Value Survey (SVS), dem Fragebogen zur Lebenszufriedenheit (FLZ) und dem Idler Index of Religiosity (IIR) befragt. Ergebnisse: 140 von 189 kontaktierten Beschäftigten haben die Fragebögen ausgefüllt (74%). Beschäftigte in Palliative Care waren signifikant älter (43,2±11,1J.) als jene auf Geburtenstationen (34,4±9,6J., p<0,001). Beide Gruppen waren überwiegend weiblich (Palliativ: 74%, Geburt: 95%). Beschäftigte im Palliativbereich waren religiöser (p<0,001) und nannten häufiger Spiritualität (p<0,001) und tendenziell Natur (p=0,05) als sinnstiftende Bereiche. Außerdem zeigten sie eine höhere Ausprägung bei Selbsttranszendenzwerten (p<0,05), welche mit Religiosität korrelierten. Das subjektive Wohlbefinden unterschied sich nicht zwischen den beiden Gruppen und zeigte keinen Zusammenhang mit persönlichen Werten. Für beide Gruppen galt, dass Teilzeitbeschäftigte ein höheres Wohlbefinden zeigten als Vollzeitmitarbeiter (p<0,01). Schlussfolgerung: Die beobachteten Unterschiede in persönlichen Werten und sinnstiftenden Bereichen stimmen mit unseren Hypothesen nach der TMT überein. Unterschiedliche Wertorientierungen führten nicht zu unterschiedlichem Wohlbefinden. Die höheren Transzendenzwerte im Palliativbereich könnten nach den vorliegenden Daten sowohl Ursache als auch Folge der Arbeit im Palliativbereich sein, oder aber eine Kombination von beidem. Um hierüber kausale Schlüsse ziehen zu können, sind longitudinale Studien nötig.