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DOI: 10.1055/s-0028-1088446
Umgang mit Sterbenden im Krankenhaus – die letzten 60 Stunden vor dem Tod
Fragestellung: Der Zeitpunkt des Todes und die Art des Sterbens innerhalb medizinischer Institutionen werden heute weitgehend von ärztlichen Maßnahmen bestimmt. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wie in unterschiedlichen Bereichen eines Krankenhauses mit sterbenahen Situationen umgegangen wird und ob sich unterschiedliche Handlungsmuster im Vorfeld des Todes unterscheiden lassen. Methoden: Von 268 der 318 im Jahre 2007 im GK Havelhöhe verstorbenen Patienten wurden retrospektiv die Krankenakten im Hinblick auf diagnostische und therapeutische Maßnahmen und die Dokumentation des Sterbens in den letzten 60 Stunden vor dem Tod analysiert. Dabei wurden verschiedene Indikatoren für 1. potentiell lebensverlängernde Maßnahmen ohne gesicherten Wert (Aktionismus) 2. eher symbolische Handlungen ohne nachvollziehbaren Sinn und 3. Begrenzungsmaßnahmen mit palliativer Orientierung unterschieden. Die Häufigkeit dieser Indikatoren wurde zu unterschiedlichen Sterbeorten des Krankenhauses (Normalstation (NS), Intensivstation (IS) und Palliativstation (PS)) in Beziehung gesetzt. Ergebnisse: Die Sterbesituation und der Umgang damit wurde in den verschiedenen Bereichen sehr unterschiedlich dokumentiert. Indikatoren für aktionistische Handlungsformen (z.B. Antibiotikawechsel, ZVK-Anlage, interventionelle Maßnahmen, Verlegung zur Intensivstation) sowie symbolhaftes Handeln (unveränderte Basismedikation, Flüssigkeits- und Ernährungstherapie, Routinelabor u.a.) fanden sich in den 182 Krankenakten der auf Normalstationen und im Intensivbereich verstorbenen Patienten signifikant häufiger, während Begrenzungsmaßnahmen und palliative Orientierung (eingeschränkte Diagnostik, Medikamentenreduktion zugunsten symptomorientierter Maßnahmen, Bedarfsmedikation, Erörterung spiritueller Fragen etc.) bei den 86 auf der Palliativstation Verstorbenen im Vordergrund stand. Eine symptomorientierte Bedarfsmedikation für Angst, Übelkeit, Atemnot und Schmerz fand sich nur bei 15–50% der nicht im Intensivbereich verstorbenen Patienten aber bei 98% der auf der Palliativstation Verstorbenen. Schlussfolgerungen: Diagnostik und die Begrenzung potentiell lebensverlängernder Maßnahmen in Grenzsituationen, um „Sterben zulassen“ sollten innerhalb medizinischer Institutionen intensiver untersucht und problematisiert werden, um palliative Kompetenz im Angesicht des Todes zu verbessern und einen besseren Umgang mit Sterbenden zu ermöglichen. Symptomorientierte Bedarfsindikation ist ein wichtiger Indikator palliativer Orientierung in sterbenahen Situationen.