Physikalische Medizin, Rehabilitationsmedizin, Kurortmedizin 2008; 18 - A22
DOI: 10.1055/s-0028-1087075

Studie zur Prävalenz und Versorgung harninkontinenter Frauen in Deutschland

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  • 1Institut für Physikalische und Rehabilitative Medizin, Ludwigshafen am Rhein

Fragestellung: Bislang existierten nur Schätzungen über die Prävalenz der weiblichen Harninkontinenz (HI) in Deutschland. Aufgrund fehlender solider Daten zur Versorgung inkontinenter Frauen hat die Women Health Coalition (WHC) eine bundesweite repräsentative Versorgungsstudie initiiert und mit Kooperationspartnern durchgeführt.

Methodik: 2.700 Frauen von 25 bis 75 Jahren in Deutschland wurden Fragebögen zum Thema Harninkontinenz zugeschickt. 74% haben teilgenommen. Auswahlgrundlage für die Stichprobe war das TNS Infratest Access-Panel, das 54.000 Frauen der entsprechenden Altersgruppe enthält. Daraus wurde eine bevölkerungsrepräsentative Stichprobe gebildet.

Ergebnisse: 21% der Befragten geben an, aktuell an HI zu leiden, d.h. jede 5. Frau in Deutschland. Die Häufigkeit nimmt mit dem Alter zu: 25.–39. Lj., 11% und über 70. Lj. 37%. Danach sind 4,7 Mio. Frauen (25.–75. Lj.) harninkontinent. 43% leiden seit mehreren Jahren an HI. 71% haben HI 1–3x wöchentlich. Bei 84% ist die Harnmenge sehr gering, 58% der Betroffenen tragen Einlagen. Die Belastungs-HI wird am häufigsten diagnostiziert. Frauen mit HI haben signifikant häufiger Kinder geboren. Nur 45% der Betroffenen gehen zum Arzt (58% Frauenarzt, 17% Hausarzt, 15% Urologe). 60% erhalten Empfehlung als Heimtraining, 23% Physiotherapie, 12% Medikamente und 8% werden operiert.

Diskussion: In Deutschland ist die Versorgung der Frauen mit HI unbefriedigend. Es besteht Aufklärungsbedarf sowohl bei Betroffenen als auch bei Ärzten. Des Weiteren ist eine interdisziplinäre Zusammenarbeit erforderlich, um Diagnostik und Therapie zu optimieren. Diesbezüglich bestehen bereits zertifizierte Kontinenz- und Beckenbodenzentren, gegenwärtig sind es 36. Von den konservativen Therapieoptionen hat die Physiotherapie einen hohen Stellenwert, sie wird jedoch zu wenig eingesetzt und die fachliche Anleitung zur funktionellen Beckenbodenarbeit wird erheblich unterschätzt.