Aktuelle Neurologie 2008; 35 - V217
DOI: 10.1055/s-0028-1086584

Normale und inverse neurovaskuläre Kopplung und Suppression der niederfrequenten vaskulären Fluktuationen während Cortical Spreading Depolarisations im menschlichen Hirn

J.P Dreier 1, S Major 1, A Manning 1, J Woitzik 1, C Drenckhahn 1, J Steinbrink 1, P Vajkoczy 1, M Lauritzen 1, U Dirnagl 1, G Bohner 1, A.J Strong 1
  • 1Berlin; London, UK; Kopenhagen, DK

Fragestellung: Der Begriff 'default mode' beschreibt den Prozess, dass das Hirn auch in Ruhe aktiv ist. Es wird vermutet, dass niederfrequente Fluktuationen des regionalen cerebralen Blutflusses (rCBF) die neurovaskuläre Kopplung im 'default mode' reflektieren. Cortical Spreading Depolarisations (CSD) supprimieren die electrocorticographische (ECoG) Ruheaktivität, d.h. sie untebrechen den 'default mode'. Während CSD ist die neurovaskuläre Kopplung im Tier entweder durch transiente Hyperperfusion (normale Kopplung), Entkopplung oder eine inverse Kopplung charakterisiert, die in gefährdetem Gewebe auftritt und ein sekundäres Perfusionsdefizit verursacht. Im Tier kann dieses sekundäre Perfusionsdefizit Hirnrindennekrosen erzeugen. Wir führten daher eine prospektive, klinische Studie durch, in der wir die neurovaskuläre Kopplung während CSD untersuchten.

Methoden: Bei acht Patienten mit Subarachnoidalblutung wurde ein subduraler Opto-/Elektrodenstreifen implantiert, mit dessen Hilfe simultan ECoG und rCBF mit Laser-Doppler aufgezeichnet wurden.

Ergebnisse: Isolierte CSDs zeigten eine Abnahme der ECoG-Power, die von einer Abnahme der Power der niederfrequenten rCBF-Fluktuationen (<0,1Hz) begleitet war. Dies stützt die Hypothese, dass die rCBF Fluktuationen neuronale Aktivität widerspiegeln. In vier Patienten wurden Cluster rekurrenter CSDs im Rahmen einer strukturellen Hirnschädigung aufgezeichnet, bei denen es ebenfalls zur Suppression der rCBF-Fluktuationen kam. Bei drei Patienten wurden die isolierten CSDs von initialer Hyperperfusion auf 217 (199, 255)% begleitet (normale Kopplung). Bei zwei Patienten änderte sich das Blutflussniveau unter CSD nicht (Entkopplung), während ein weiterer Patient eine Hypoperfusion auf 58% zeigte (inverse Kopplung). Jeder Cluster rekurrenter CSDs zeigte eine inverse Kopplung, d.h. CSDs im Cluster waren signifikant mit inverser Kopplung assoziiert.

Schlussfolgerung: Wir konnten bereits zeigen, dass Cluster rekurrenter CSDs Indikator für den progressiven ischämischen Hirnschaden beim Menschen sind (Dreier et al. (2006) Brain 129:3224–3237). Der Befund einer Suppression niederfrequenter rCBF-Fluktuationen während CSD könnte verwendet werden, um den progressiven ischämischen neuronalen Schaden indirekt, nicht-invasiv z.B. mit fMRI zu messen. Darüberhinaus ist der Nachweis der inversen Kopplung beim Menschen ein Meilenstein, weil es sich um ein neues pharamakologisches Ziel für therapeutische Strategien beim Schlaganfall handelt.