Gesundheitswesen 2008; 70 - A195
DOI: 10.1055/s-0028-1086420

Ernährungs- und Konsumgewohnheiten bei sozial benachteiligten Familien in Schweden und Deutschland

J Dreas 1, B Johannson 2, L Reisch 3
  • 1Bremer Institut für Präventionsforschung und Sozialmedizin (BiPS), Universität Bremen
  • 2Zentrum für Konsumforschung, Göteburg, Schweden
  • 3Copenhagen Business School, Kopenhagen, Dänemark

Hintergrund: In den letzten Jahren ist bei Kindern ein deutlicher Anstieg der Adipositasprävalenz zu beobachten. Insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten sind betroffen [1]. Der Lebensmittelindustrie wird dabei vorgeworfen durch gezielte Werbung für hochkalorische und fettreiche Ernährung sowie Softdrinks wesentlich an der Entstehung von Übergewicht und Adipositas mitbeteiligt zu sein. Trotz andauernder Forschung in diesem Bereich ist der Zusammenhang zwischen Food Marketing und der Entstehung von Adipositas im Kindesalter noch nicht vollständig geklärt. Besonders die Familie hat einen großen Einfluss auf das Konsumverhalten des Kindes sowie dessen Entwicklung von Geschmackspräferenzen. Im Rahmen der europäischen IDEFICS-Studie wird dieser Zusammenhang näher beleuchtet. Methoden: Anhand qualitativer Leitfadeninterviews werden in Schweden und Deutschland jeweils 13 sozial benachteiligte Familien nach ihren Ernährungs- und Konsumgewohnheiten befragt. Grundschulkinder der ersten und zweiten Klasse sowie deren Eltern werden getrennt voneinander zu ihrem Ernährungsverhalten, Schulmahlzeiten, Lebensmittelwerbung, dem Einkauf von Lebensmitteln und Freizeitaktivitäten interviewt. Bisherige Forschung: Die bisherigen Untersuchungen zeigen, dass deutsche Kinder aus Familien mit geringem Einkommen aufgrund Zeit- und Geldmangels häufig ohne Schulmahlzeit in die Schule gehen und nachmittags bzw. abends häufig Fertigmahlzeiten konsumieren. Den schwedischen Kindern hingegen wird in der Schule eine vollwertige Mahlzeit angeboten, die aus Steuergeldern finanziert und somit auch von Kindern aus sozial benachteiligten Familien in Anspruch genommen werden können. In deutschen Schulen steht vor allem der Ansatz der Verhaltens- und nicht der Verhältnisprävention im Vordergund [2]. Für Deutschland konnte gezeigt werden, dass Kinder in hohem Maße auf Lebensmittelwerbung ansprechen. Schlussfolgerungen: Neben verhaltensorientierten Präventionsmaßnahmen müssen auch verstärkt verhältnisorientierte Präventionsmaßnahmen im Setting Schule gefördert und ausgebaut werden, um sozial benachteiligten Kindern z.B. die Möglichkeit eines vollwertigen Mittagsessens zu ermöglichen. Zwingend notwendig erschienen hierbei vor allem die Einhaltung von Qualitätsstandards des angebotenen Essens in den Schulen und die Subventionierung von Obst und Gemüse. Für die Erreichung dieser Ziele müssen Politiker, Kommunen und Gemeinden verstärkt eintreten.

Literatur:

[1] World Health Organization (Hrsg). WHO/HBSC Forum 2006. Addressing the socioeconomic determinants of healthy eating habits and physical activity levels among adolescents. Based on the WHO/HBSC Forum Meeting held in Florence, 10.-11. March 2006

[2] Dees W, Wenzig C. Recherche bestehender Programme und Angebote zu Gesundheitsförderung in der Volksschule. Bericht im Auftrag des Insitutes für Soziologie, Abteilung empirische Sozialforschung der Johannes-Kepler Universität Linz für die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse (OÖGKK). Nürnberg, München, 2006