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DOI: 10.1055/s-0028-1086378
Die Einführung des morbiditätsorientierten RSA – was ist „chronisch“ und „schwerwiegend“?
Einleitung/Hintergrund: Das Klassifikationsmodell und die Berechnungsverfahren für den morbiditätsorientierten RSA sollen gemäß§31 Abs.1 RSAV auf 50–80 Krankheiten mit insbesondere „schwerwiegendem Verlauf und kostenintensive chronische Krankheiten“ aufsetzen. Der Gesetzgeber hat diesbezüglich an keiner Stelle die Begriffe „chronisch“ und „schwerwiegend“ definiert. Ziel des Beitrages ist es Definitionen für „chronische Krankheit“ und „schwerwiegende Krankheit“ zu ermitteln und Operationalisierungsmöglichkeiten zu diskutieren. Methodik: Es wurde eine systematische Literaturrecherche in verschiedenen Datenbanken durchgeführt, ergänzt durch eine unsystematische Internetrecherche sowie einer Durchsicht des Sozialgesetzbuches nach den Stichworten „chronisch“ und „schwerwiegend“. Merkmale zur Definition wurden erarbeitet, Operationalisierungskriterien diskutiert und diese den Empfehlungen des wissenschaftlichen Beirates des Bundesversicherungsamtes gegenübergestellt. Ergebnisse: Derzeit gibt es keine einheitlichen Definitionen. Insgesamt erscheint es sachgerecht, chronischen Erkrankungen die folgenden Merkmale zuzuschreiben:
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Regelwidriger körperlicher oder geistiger Zustand.
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Die Erkrankung dauert mindestens 6 Monate oder länger.
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Unbekannte Pathogenese, wobei in den meisten Fällen von einer multifaktoriellen Pathogenese ausgegangen wird. Der Einfluss einzelner Faktoren ist in aller Regel ungeklärt.
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Die Erkrankung kann schleichend eintreten, aber auch plötzlich ausbrechen.
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Begrenzte Möglichkeiten der Heilung (kurative Therapie), der Symptomverbesserung (symptomatische Therapie) und der Linderung (Palliativtherapie).
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Die Erkrankung hat einen Einfluss auf das Leben des Patienten mit signifikanten sozialen, psychologischen und ökonomischen Konsequenzen für den Erkrankten; insbesondere bezüglich der Teilhabe am täglichen Leben.
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Die Krankheit erfordert kontinuierliche medizinische Versorgung und Betreuungs- und Pflegebedarf auch seitens Angehöriger.
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Die Lebenserwartung wird häufig nicht beeinflusst. Hinsichtlich des Merkmals „schwerwiegend“ bietet nur das Bundessozialgerichtsurteil zum Off Label Use einen Definitionsansatz. Danach liegt eine schwerwiegende Erkrankung vor, wenn die Merkmale „lebensbedrohlich“ oder „die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigend“ vorliegen.
Diskussion/Schlussfolgerung: Im Rahmen des morbiditätsorientieren Risikostrukturausgleich erscheint eine Operationalisierung am Besten über die Erkrankungsdauer umsetzbar. Die übrigen Merkmale können teilweise qualitativ im Rahmen von Befragungen von Experten, Patienten oder Angehörigen erhoben werden, was jedoch aufwändig ist.