Gesundheitswesen 2008; 70 - A139
DOI: 10.1055/s-0028-1086364

Rahmenbedingungen von Prävention in der Lebenswelt Arbeit – Aktueller Stand der Rechtsprechung zum Betrieblichen Eingliederungsmanagement

M Schian 1, A Weber 1
  • 1Institut für Qualitätssicherung in Prävention und Rehabilitation GmbH an der Deutschen Sporthochschule Köln

Hintergrund und Einleitung: Mit Einführung des Betrieblichen Eingliederungsmanagements (BEM) in §84 Abs.2 SGB IX im Jahr 2004 hat der Gesetzgeber die rechtlichen Rahmenbedingungen für einen Teilbereich der Prävention und Rehabilitation in der Lebenswelt Arbeit umgestaltet. Krankheitsbedingter Ausgliederung aus dem Erwerbsleben soll durch ein vom Arbeitgeber nach sechs Wochen Arbeitsunfähigkeit eines Beschäftigten anzustoßendes konzertiertes Einschreiten der betrieblichen Akteure vorgebeugt werden. Zunächst wirkte sich eine Fülle rechtlicher Unklarheiten lähmend auf die Praxis aus. Mittlerweile sind einige dieser Rechtsfragen Gegenstand von Gerichtsentscheidungen gewesen, andere sind bislang nur in der Literatur aufgegriffen. Der Beitrag gibt einen Überblick über den Stand der juristischen Erkenntnisse zum BEM. Methode: Die Arbeit basiert auf juristischer Methodik (Exegese von Rechtsvorschriften nach Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Teleologie). Die bisherige Rechtsprechung zum BEM wird analysiert und ihre Bedeutung für die Praxis erläutert. Ergänzend werden eigene Lösungsvorschläge zu in der Rechtsprechung noch nicht geklärten Themenkreisen entwickelt. Den Schwerpunkt bilden die Fragestellungen 1. Geltungsbereich des BEM 2. Bedeutung des BEM im Kündigungsschutz 3. Rolle des Betriebsarztes im BEM 4. Datenschutzrechtliche Fragen 5. Rolle von Betriebs-/Personalrat und Schwerbehindertenvertretung im BEM 6. Mitwirkung des Betroffenen. Ergebnisse: Seit einer Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 12.07.2008, Az.: 2 AZR 716/06) ist klar, dass das BEM für alle Beschäftigten gilt (Frage 1), und nicht nur für Schwerbehinderte. Ebenfalls steht fest, dass eine krankheitsbedingte Kündigung ohne vorheriges BEM wesentlich erschwert ist (Frage 2). Die Rolle des Betriebsarztes im BEM (Frage 3.) ist gerichtlich noch nicht entschieden, zu den Fragen 4. bis 6. bestehen nur punktuelle instanzgerichtliche Entscheidungen. Diskussion/Schlussfolgerung: Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts wird die Umsetzung des BEM befördern, da nunmehr klargestellt ist, da sich seine Nichtdurchführung negativ auf die Interessenlage des Arbeitgebers auswirkt. Zu den noch nicht bzw. nicht umfassend entschiedenen Fragen können juristisch vertretbare Antworten geboten werden, die eine Vielzahl arbeitsrechtlicher Parameter zu beachten haben.

Literatur:

[1] Hauck, Noftz. §84 SGB IX (Loseblattsammlung). Erich Schmidt Verlag August 2007

[2] IQPR-Diskussionsforum. Teilhabe und Prävention, Forum B. http://www.iqpr.de/iqpr/seiten/diskussionsforen/forumb/forum-b-de.asp

[3] http://www.iqpr.de > Diskussionsforen

[4] Gundermann L, Oberberg M. Datenschutzkonforme Gestaltung des betrieblichen Eingliederungsmanagements und Beteiligung des Betriebsrates. AuR 2007; 19–26

[5] Welti F. Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach §84 Abs.2 SGB IX – sozial- und arbeitsrechtliche Aspekte. NZS 2006; 623–630

[6] Balders S, Lepping C. Das betriebliche Eingliederungsmanagement nach dem SGB IX – Arbeits- und schwerbehindertenrechtliche Fragen. NZA 2005; 854–857

[7] BAG. Urteil vom 12.07.2007–2 AZR 716/06