Gesundheitswesen 2008; 70 - A99
DOI: 10.1055/s-0028-1086324

Lebensqualität von Schlaganfallpatienten in Abhängigkeit von Gender, sozialem und familiärem Status

S Kramer 1, E Raum 2, A Goldbecker 3, A Tountopoulou 3, K Weißenborn 3
  • 1Stiftungslehrstuhl für Prävention und Rehabilitation in der System- und Versorgungsforschung, Institut für Epidemiologie, Sozialmedizin und Gesundheitssystemforschung, Medizinische Hochschule Hannover
  • 2Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
  • 3Klinik für Neurologie, Medizinische Hochschule Hannover

Hintergrund: Da beim Schlaganfall das mittlere Erkrankungsalter 60 Jahre beträgt, sind betroffene Frauen häufig Hausfrauen und können einen Teil ihrer früheren Aufgaben wieder übernehmen. Erkrankte Männer erleiden oft den Verlust ihrer beruflichen Tätigkeit. Ziel der Studie ist, den Einfluss der genderspezifischen Unterschiede der sozioökonomischen, familiären und gesellschaftlichen Situation auf die Alltagsaktivität, Selbständigkeit und Lebensqualität nach Schlaganfall zu vergleichen. Methodik und Studiendesign: In die prospektive Kohortenstudie wurden inzidente Schlaganfallpatient(inn)en eingeschlossen, die zwischen 01.01.02 und 12.05.2006 in einer von sechs teilnehmenden neurologischen Kliniken wegen eines Hemisphäreninfarktes behandelt wurden. Es erfolgten zwei Nachuntersuchungen (T1 nach 3 und T2 nach 12 Monaten). Die mittels mehrerer standardisierter Tests erhobenen Zielgrößen sind die Selbständigkeit und die Differenz des neurologischen Defizits sowie die hier dargestellte Lebensqualität der Patienten. Ergebnisse: Von 210 rekrutierten Patienten wurden 194 zu T1 und 178 zu T2 nachuntersucht. Das neurologische Defizit hat im Follow-up bei beiden Geschlechtern ohne signifikanten Unterschied deutlich abgenommen. Die Alltagsaktitivität der Frauen war vor dem Schlaganfall und 1 Jahr danach signifikant höher als die der Männer. Die mittels SF-36 erhobene gesundheitsbezogene Lebensqualität unterschied sich zwischen den Geschlechtern zu T2 nicht signifikant, ebenso die Abweichungen von den für die Studienpopulation alterstandardisierten, geschlechtsspezifischen Mittelwerten der Normstichprobe. Die Mittelwerte lagen in den Dimensionen Körperliche Rollenfunktion, Körperliche Funktionsfähigkeit und Emotionale Rollenfunktion am stärksten unterhalb derer der Normstichprobe. In den Dimensionen Allgemeine Gesundheitswahrnehmung und Psychisches Wohlbefinden waren die Differenzen nur gering, bezüglich körperlicher Schmerzen lagen die Mittelwerte sogar über denen der Normstichprobe. Bei Modellbildung mittels multipler linearer Regression ergab sich für alle acht Dimensionen des SF-36 geschlechtsabhängig ein unterschiedliches Muster von Einflussfaktoren. Diskussion/Schlussfolgerungen: Bei ähnlicher neurologischer Einschränkung unterschieden sich Frauen und Männer 12 Monate nach Schlaganfall nicht hinsichtlich ihrer gesundheitsbezogenen Lebensqualität, obwohl die Frauen im Alltag aktiver waren als Männer. Das Ausmaß der Lebensqualität ist jedoch genderabhängig von unterschiedlichen Einflussfaktoren geprägt.