Gesundheitswesen 2008; 70 - A52
DOI: 10.1055/s-0028-1086277

Zum Belastungserleben und zur Spezifik der Unterstützungserfordernisse von pflegenden Angehörigen demenziell erkrankter türkischer Migranten/innen in Deutschland

F Küçük 1
  • 1Alice-Salomon-Hochschule, Berlin

Die Referentin hat sich im Rahmen ihrer Diplomarbeit die Untersuchung der Situation erwachsener Kinder mit türkischem Migrationshintergrund, die einen Angehörigen mit einer demenziellen Erkrankung pflegen (oder gepflegt haben), zur Aufgabe gemacht und insgesamt sechs qualitative Interviews mit dieser Klientel geführt. Ein Aspekt der Gesamtstudie bezog sich dabei auf ihre Belastungen, ihr Inanspruchnahmeverhalten von (in)formellen Hilfen sowie ihre Erwartungen an Beratungs- und Gesundheitseinrichtungen. Die Aussagen der fünf befragten Frauen und der zwei befragten Männer zeigen, dass Schuldgefühle, fehlende Anerkennung im bzw. fehlende Unterstützung durch das familiäre Umfeld als psychische Belastungen empfunden werden. Hinzu kommen soziale Isolation und eine starke Reduzierung des persönlichen Zeitkontingents. Aus unterschiedlichen Gründen nutzen nur zwei von sieben Befragten, hierbei handelt es sich um die beiden pflegenden Söhne, außerfamiliäre Unterstützung. Hinsichtlich des Beratungsbedarfs und der Erwartungen an – bestehenden und zukünftigen – Beratungsstellen für Angehörige von Demenzkranken mit türkischem Migrationshintergrund äußern die Interviewpartner/innen, dass mehr Beratungsstellen – vor allem in Gebieten mit einer hohen Zahl von türkischen Migranten/innen – entstehen sollen, die mit öffentlichen Verkehrsmitteln gut zu erreichen seien. Die Berater/innen sollten sich Zeit nehmen, über türkische Sprachkenntnisse, kulturelle und beraterische Kompetenzen verfügen sowie umfassendes Fachwissen in Bezug auf demenzielle Erkrankungen und Versorgungsmöglichkeiten besitzen; überhaupt sollte das Thema „Demenz“ mittels der türkischen Massenmedien (Hörfunk, Fernsehen etc.) in das öffentliche Interesse rücken. Parallel dazu sollten Selbsthilfegruppen, Wohngemeinschaften, Tagespflegestätten, Kurzzeitpflegeeinrichtungen initiiert bzw. aufgebaut werden und türkischsprachiges Personal (wie Physiotherapeuten/innen) angefordert werden können. Derartige „externe“ Hilfen und Unterstützungsangebote würde die Mehrzahl der Befragten gerne in Anspruch nehmen. Als Konsequenz dessen sollte die kulturelle Vielfalt in Deutschland sehr viel mehr berücksichtigt und dem Abbau von Zugangsbarrieren für Menschen mit Migrationshintergrund begegnet werden. Eine interkulturelle Öffnung der Beratungs- und Gesundheitseinrichtungen wäre ein – vielleicht sogar der – wichtigste Schritt.