Gesundheitswesen 2008; 70 - A14
DOI: 10.1055/s-0028-1086239

Reine Wissensvermittlung reicht nicht aus: Die Rolle von PatientenLeitlinien bei der Entscheidungsfindung

S Sänger 1
  • 1Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin, Berlin

Einleitung/Hintergrund: Wer sich als mündiger Patient aktiv in seine Behandlung und Versorgung einbringen will, braucht Gesundheits- und Krankheitsverständnis, Kenntnis der Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sowie der Versorgungsstrukturen, Bewältigungsstrategien und Unterstützung beim Selbstmanagement. Erst die Verknüpfung von Wissens-, System- und Handlungskompetenz ermöglicht Patienten die aktive Beteiligung an der gemeinsamen Entscheidungsfindung von Arzt und Patient. Patienteninformationen, die auf der Basis evidenzbasierter Leitlinien erstellt werden und darüber hinaus die Erfahrungen und Sichtweisen gleich Betroffener beinhalten, können diese Kompetenzen vermitteln. Patientenleitlinien sind nicht nur Entscheidungsgrundlage für Patienten. Sie können darüber hinaus den Arzt in seiner aufklärenden und beratenden Funktion unterstützen. Material und Methoden: Im Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien (www.versorgungsleitlinien.de) werden leitlinienbasierte Patienteninformationen erstellt. Dies geschieht mit Beteiligung von Patienten entsprechend einer festgelegten Methodik. Diese PatientenLeitlinien beinhalten laienverständlich erklärt die evidenzbasierten Empfehlungen der VersorgungsLeitlinien, Hintergrundwissen zur betreffenden Erkrankung, Erklärungen der Versorgungsstrukturen, Hinweise zum Umgang mit der Erkrankung, Anleitungen zum Selbstmanagement, Hilfestellungen zur Unterstützung der Arzt-Patienten-Kommunikation und ergänzende Hilfen wie Adressen von Selbsthilfeorganisationen und Beratungsstellen sowie weiterführende Literaturangaben. Ergebnisse: Seit 2005 wurden PatientenLeitlinien zu den Erkrankungen Asthma, COPD, KHK und Fußkomplikationen bei Typ-2-Diabetes fertig gestellt. Darüber hinaus werden derzeit unter Nutzung der Methodik aus dem NVL-Programm Patienteninformationen auf der Basis von S3-Leitlinien zu den Themen exokrines Pankreaskarzinom, Brustkrebs-Früherkennung und Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Mammakarzinoms entwickelt. Die PatientenLeitlinien sind als Broschüre über den Buchhandel und frei zugänglich im Internet (www.versorgungsleitlinien.de) zu beziehen. Darüber hinaus erhält jeder Arzt, der eine NVL erwirbt, ein Komplettpaket, zu dem auch die entsprechende PatientenLeitlinie gehört. Diskussion/Schlussfolgerungen: PatientenLeitlinien sollen und können das Arzt-Patienten-Gespräch mit dem Ziel der Entscheidungsfindung nicht ersetzen. Sie können es aber unterstützen. Möglich wird das, weil PatientenLeitlinien über eine reine Wissensvermittlung von evidenzbasierten Untersuchungs- und Behandlungsoptionen hinaus gehen. Sie vermitteln auch System- und Handlungskompetenz.

Literatur:

[1]Ärztliches Zentrum für Qualität in der Medizin. Handbuch Patientenbeteiligung. Beteiligung am Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien. Berlin: ÄZQ, 2007

[2] Sänger S, Ollenschläger G. Nationale VersorgungsLeitlinien und Patientenleitlinien. Praktisches Beispiel einer Patientenbeteiligung. F DKG 2006; 3: 48–50

[3] Sänger S, Brunsmann F, Englert G, Quadder B, Ollenschläger G. Patientenbeteiligung am Programm für Nationale VersorgungsLeitlinien – Ergebnisse, Erfahrungen und Konsequenzen bei der Erstellung von Patientenleitlinien. Z Arztl Fortbild Qualitatssich 2007; 2:109–112