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DOI: 10.1055/s-0028-1086233
Hausarztzentrierte Versorgung in Deutschland. Für wen kommt das Hausarztprogramm in Frage?
In vielen Ländern existiert seit Jahren ein Gatekeeper-System im Gesundheitswesen, das dem Allgemeinarzt eine maßgebliche Zuweisungsfunktion für die Inanspruchnahme fachärztlicher und stationärer Versorgung zuschreibt. Die Gesundheitsreform 2004 hat die Position des Hausarztes durch die Herausstellung seiner Lotsenfunktion (gatekeeping) auch in Deutschland gestärkt. Kostenintensive Doppeluntersuchungen sowie medizinisch nicht notwendige Facharztbesuche sollen so vermieden und die Zusammenarbeit der verschiedenen Akteure des Gesundheitswesens optimiert werden. Der Beitrag konzentriert sich darauf, für welche Versicherten dieses neue Versorgungsangebot von besonderem Interesse ist und welche Faktoren die Teilnahmewahrscheinlichkeit beeinflussen. Im Rahmen einer repräsentativen, postalischen Befragung wurden Versicherte einer Gesetzlichen Krankenkasse auf Basis eines Kontrollgruppendesigns zur hausarztzentrierten Versorgung befragt: 962 Teilnehmer am Hausarztprogramm und 644 Nichtteilnehmer (Kontrollgruppe). Im Zentrum standen die Erfahrungen mit dem Hausarztprogramm, die Inanspruchnahme ambulanter ärztlicher Leistungen und die Zufriedenheit damit. Mithilfe deskriptiver und multivariater Analysen (logistische Regression) wurde die Rolle verschiedener Einflussfaktoren auf die Bereitschaft am Hausarztprogramm teilzunehmen untersucht. Die hausarztzentrierte Versorgung wird v.a. von älteren und chronisch kranken Versicherten sowie von Frauen genutzt. Aspekte des individuellen Gesundheitszustandes (Leiden an chronischen Erkrankungen, Häufigkeit hausärztlicher Konsultationen) sowie die Qualität des Arzt-Patient-Verhältnisses (Vertrauen zum Hausarzt, Dauer der Hausarztbindung) beeinflussen positiv die individuelle Teilnahmebereitschaft. Sozioökonomische Aspekte (Alter, Geschlecht und Erwerbsstatus) stellen hingegen nur bedingt wichtige Einflussgrößen für die Teilnahmebereitschaft dar. Die mit der Programmteilnahme verbundene Ersparnis bei der Praxisgebühr ist demnach nicht der wichtigste Teilnahmegrund, vielmehr spielen eine chronische Erkrankung und die damit verbundene höhere Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen eine größere Rolle. Monetäre Aspekte beeinflussen die Teilnahmebereitschaft weniger als die deskriptiven Analysen vermuten ließen. Chronische Erkrankungen und die damit häufigere Inanspruchnahme ärztlicher Gesundheitsleistungen spielen eine größere Rolle für die individuelle Teilnahmemotivation als die Einsparmöglichkeit von 20 € pro Jahr. Die Ergebnisse zeigen auch, dass das Hausarztprogramm nicht jedes Versichertenklientel anspricht: Für junge, gesunde und v.a. geographisch sehr mobile Menschen ist es momentan nicht sehr attraktiv.