ZWR - Das Deutsche Zahnärzteblatt 2008; 117(7/08): 335
DOI: 10.1055/s-0028-1085936
Editorial

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

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Cornelia Gins
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Publication Date:
18 August 2008 (online)

Am Wochenende ist bei mir Lesetag. Der angefallene Stapel „Fach”–Zeitschriften vom Mitbewerber muss erst einmal durchgearbeitet werden, aber bei einer guten Tasse Tee und angenehmer E–Musik schaue ich natürlich auch gern in die eine oder andere Ausgabe der U–Zeitschriften. Schließlich will ich ja wissen, was im Wartezimmer ausliegt. Da gibt es alle 4 Wochen so dicke Hochglanzmagazine, die zum Träumen einladen. Die Kolleginnen unter den Lesern werden wissen, was ich meine. Nicht das jemals jemand auf die Idee kommen würde, derartig aufgebrezelt auf die Straße, geschweige denn in die Praxis, zu gehen, sind die Bilder von gestylter Körperkultur aber nett für das Auge. Bei der letzten Ausgabe einer dieser Bilderbücher habe ich mir überlegt, welche Zielgruppe der Herausgeber bzw. die Redaktion wohl ansprechen möchte, da in diesem Ratgeber für die moderne Frau von heute zu lesen ist, dass das „kleine” Schwarze jetzt auch modebewusst mit Blazer und Pumps im Office getragen werden kann. Die Empfehlungen für das passende Outfit in der Businessclass auf der Fahrt zum nächsten Geschäftstermin gehen über Hermès, Jil Sander & Co. selbstverständlich mit dem passenden Schuhwerk von Prada & Co., ganz zu schweigen von den dazugehörigen Accessoires. An dem gleichen Wochenende konnte ich aber auch in einem politischen Magazin über Stagflation, Knappheit der Energievorkommen und den daraus entstehenden wirtschaftlichen Engpässen und den erneuten Belastungen für die privaten Haushalte lesen. In Berlin sind nach letzten Meldungen viele Haushalte von Strom und Gas abgekoppelt, weil die Kosten nicht mehr bezahlt werden können.

Zielgruppe! Die Wirtschaft sucht ihre Zielgruppen, für die sie ihre Wirtschaftsgüter produziert. Auch Zahnarztpraxen sind Wirtschaftsunternehmen und müssen ihre Zielgruppe definieren. Das war früher einfach. Die finanziellen Möglichkeiten der gesetzlichen Krankenkassen haben eine potente Zielgruppe, den Kassenpatienten, zur Verfügung gestellt. Lang, lang ist es her. Daher versuchen zahnärztliche Medien und Dienstleistungsanbieter auf dem Sektor Marketing uns darin zu unterstützen, die neue Zielgruppe „Patient” oder besser „Kunde” zu finden. Auch die Kongresse der Fachgesellschaften sind mit ihren Themen auf den „neuen” Patienten ausgerichtet: Den Patienten, der in der Businessclass fliegt und auf Maui seinen Urlaub verbringt. Es gibt mit Sicherheit diese Zielgruppe auch für die Zahnarztpraxis. Ich beglückwünsche jeden, der die Möglichkeit hat, diese für sich zu aktivieren. In meiner Praxis werden die „Brötchen” etwas kleiner gebacken wie wahrscheinlich in anderen auch.

Hochglanzmagazine sind schön für das Auge und für die Seele, aber sie haben immer weniger mit der Realität zu tun. Beim Blättern durch die Zeitschriften (auch den fachlichen) habe ich gedacht, ob wir Zahnärzte da wohl noch richtig liegen, mit der Strategie: höher – weiter – schöner (– teurer). Könnte es sein, das wir da inzwischen gewaltig auf dem Holzweg sind?

Cornelia Gins

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