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DOI: 10.1055/a-2449-1180
Parkinson: Komplextherapie, Freezing, Ernährung und Off-Phasen

Die Parkinson-Krankheit ist die zweithäufigste neurodegenerative Erkrankung, von der über 1 % der Bevölkerung über 65 Jahren betroffen ist. Die Prävalenz wird sich bis 2030 verdoppeln. Die Parkinson-Krankheit verläuft progredient über Jahrzehnte und langsam schränkt die Krankheit die körperliche, soziale und psychische Gesundheit der Patienten immer mehr ein. Schon nach einigen Jahren des guten Ansprechens der Dopamin-Substitutionstherapie kommt es zu Wirkungsschwankungen der Levodopa-Medikation, im weiteren Verlauf zum On- und Off- Phänomen und zu Dyskinesien. Ihre Klinik und Behandlungsmöglichkeiten werden zunehmend komplex, sodass einigen Aspekten vielleicht nicht so viel Aufmerksamkeit geschenkt wird, wie es ihnen für die Versorgung gebühren würde. Auf solche Themen möchten wir in den Artikeln in dieser Ausgabe der Nervenheilkunde einen Blick werfen.
Der Artikel von Ziegler et al. hebt die Bedeutung multimodaler Ansätze hervor, die verschiedene nicht-pharmakologische Interventionen kombinieren. Besonders in Deutschland hat sich die multimodale Komplextherapie als stationäres Konzept bewährt, mit positiven Effekten auf Motorik, Lebensqualität und Alltagskompetenzen, die Wochen über die Behandlung hinaus anhalten. Dennoch gibt es Verbesserungspotenziale, insbesondere im Aufbau flächendeckender Netzwerke für die ambulante Versorgung, die in den Niederlanden seit über 20 Jahren erfolgreich sind. Solche Netzwerke könnten auch in Deutschland die interdisziplinäre Kommunikation und Versorgungsqualität nachhaltig verbessern.
Motorische Blockaden, insbesondere das Gang-Freezing, gehören zu den komplexesten Symptomen der Parkinson-Krankheit. Fietzek und Ziegler beleuchten die pathophysiologischen Mechanismen und die historischen Entwicklungen dieses Phänomens, das bis auf die Beobachtungen von James Parkinson zurückgeht. Sie zeigen, wie diese Blockaden, die oft im späteren Krankheitsverlauf auftreten, durch gezielte pharmakologische und physiotherapeutische Interventionen adressiert werden können. Eine besondere Herausforderung stellt das On-Freezing dar, das auf dopaminerge Therapie nicht mehr anspricht. Physiotherapeutische Ansätze wie rhythmische Stimulation oder das Training mit visuellen und auditiven Hinweisen haben sich hier als hilfreich erwiesen. Zudem gewinnt die Virtual-Reality-Technologie an Bedeutung, um das Bewegungslernen in sicheren, kontrollierten Umgebungen zu unterstützen.
Der Beitrag von Ceballos-Baumann und Fietzek zeigt, dass Ernährung eine bedeutende Rolle in der Therapie der Parkinson-Krankheit spielt. Wechselwirkungen zwischen Nahrung und Levodopa, insbesondere durch Proteine, können die Wirkung der Medikation beeinflussen. Eine Protein-Redistributions-Diät bietet hier eine Möglichkeit, die Fluktuationen zu minimieren. Der Artikel betont jedoch auch die Risiken zu direktiver Ernährungsempfehlungen, die mit Gewichtsverlust und Mangelernährung einhergehen können. Das Problem einer gestörten Motilität des oberen gastrointestinalen Traktes sowie die Obstipation sind auch zu adressieren. Darüber hinaus könnten Diäten, wie die mediterrane oder MIND-Diät, auch bestimmte Substanzen wie z. B. Koffein, präventive Effekte haben und das Fortschreiten der Erkrankung verlangsamen.
Phasen schlechter Symptomkontrolle, sogenannte Off-Phasen, gekennzeichnet durch ein Nachlassen der Wirkung einzelner Levodopa-Dosen schon nach wenigen Jahren mit dieser Therapie, gelten aus Sicht von Patienten und Behandlern als das am meisten störende Problem in mittleren Stadien der Parkinson-Krankheit. Dieser CME-zertifizierte Artikel behandelt zum einen schon lange verfügbare Möglichkeiten der Behandlung von Phasen schlechter Symptomkontrolle wie Levodopa an sich und die subkutane Verabreichung von Apomorphin, zum anderen das erst seit kurzem zur Verfügung stehende inhalative Levodopa und sublinguale Apomorphin. Diese neuen Darreichungsformen umgehen wie das subkutane Apomorphin den gastrointestinalen Trakt und bieten eine schnelle, flexible Symptomkontrolle. Allerdings müssen Patienten in der Lage sein, Off-Symptome frühzeitig zu erkennen und die jeweilige Darreichungsform (z. B. Inhalator, sublingualer Film oder Pen) sicher anzuwenden. Das erfordert Schulung der Patienten, um eine effektive Selbstanwendung zu gewährleisten. Ein frühzeitiger Einsatz würde es erlauben, Bedarfsmedikationen als Instrument zur Stärkung der Autonomie der Patienten einzusetzen.
Diese Artikel unterstreichen die Notwendigkeit eines multidimensionalen und patientenzentrierten Ansatzes in der Parkinson-Therapie. Der Aufbau spezialisierter Netzwerke und die Stärkung der interdisziplinären Zusammenarbeit sind Schlüssel, um die Versorgung weiter zu optimieren. Gleichzeitig erfordert die Umsetzung dieser Ansätze eine Schulung von medizinischen Fachkräften, Patienten und die Bereitstellung adäquater Ressourcen.
Andres Ceballos-Baumann, München
Publication History
Article published online:
04 March 2025
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