Erfahrungsheilkunde 2024; 73(03): 125
DOI: 10.1055/a-2294-1906
Editorial

Klima, Wetter(wechsel) und Gesundheit

Peter W. Gündling

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

liebe Leserinnen, liebe Leser,

worüber würden die Leute beim Small Talk wohl reden, wenn es die Themen „Wetter“ oder „Gesundheit“ nicht gäbe? Kaum vorstellbar. Schließlich betreffen die Themen auf die eine oder andere Weise jeden. Auch der Zusammenhang von Wetter und Gesundheit scheint offensichtlich: Atemwegsinfekte („Erkältungen“) bei nasskaltem Wetter, Kopfschmerzen bei Föhn, Kreislaufstörungen bei schnellem Wetterwechsel, Krampfaderbeschwerden bei Hitze usw. Geht man jedoch auf die Suche nach wissenschaftlichen Daten zu diesem Thema, wird man herb enttäuscht: Bei der Recherche in PubMed, der größten medizinisch-wissenschaftlichen Datenbank der Welt mit über 37 Millionen gelisteten Publikationen, finden sich unter dem Suchbegriff „meteorosensitivity“ (= „Wetterfühligkeit“) gerade einmal fünfzehn(!) Einträge, zwei davon von 1948.

Aufgrund fehlender Daten zur Bedeutung und Prävalenz der Wetterfühligkeit führte der Deutsche Wetterdienst im Auftrag des Umweltbundesamtes im Januar 2013 eine repräsentative Umfrage an 1623 Bundesbürgern durch. Die Untersuchung ergab, dass sich 57 % der befragten Frauen und 42 % der Männer als wetterfühlig bezeichneten. Dabei nahm die Häufigkeit dieser Beschwerden mit zunehmendem Alter und vorhandener Grunderkrankung signifikant zu. Ein Aspekt, der mit Blick auf den demografischen Wandel besondere Beachtung verdient.

Besorgniserregender jedoch ist das weltweit im Umbruch befindliche Klima. Obgleich nicht ganz klar ist, welcher Anteil davon auf menschliche Einflüsse zurückgeführt werden kann, dürften die anthropogenen Aktivitäten nicht ganz unschuldig sein: Die Abholzung riesiger Waldflächen, Versiegelung des Bodens und der zunehmende Ausstoß von Kohlendioxid, Methan und Distickstoffoxid und anderen Emissionen bleibt sicher nicht ohne Folgen.

Fest steht, dass sich seit Mitte des 20. Jahrhunderts die oberflächennahen Luftschichten der Erde deutlich erwärmt haben und dadurch sowohl das Eis der Gletscher als auch das der Pole schmilzt und der Meeresspiegel stetig steigt. Die Zunahme extrem heißer Temperaturen und sintflutartiger Niederschläge sowie andernorts Trockenheit und Dürren scheinen eine Folge davon zu sein.

Hinzu kommt der Abbau des stratosphärischen Ozons, die Versauerung der Ozeane, die Verringerung der Süßwasserressourcen, Wüstenbildungen und die Beeinträchtigung der Ökosysteme mit Rückgang der biologischen Vielfalt.

All das bedeutet eine besondere Herausforderung für die gesamte Menschheit im Allgemeinen und im Hinblick auf die drohenden gesundheitlichen Folgen des Klimawandels, der schnellen Wetterwechsel und extremen Wetterlagen für uns Ärztinnen und Ärzte im Besonderen: einerseits unseren Patientinnen und Patienten zu helfen, ihre Gesundheit so zu stabilisieren, dass sie dem zunehmenden Klimastress standhalten können. Andererseits mitzuwirken, den negativen Einfluss auf unsere Umwelt, der offensichtlich mitverantwortlich ist für den Klimawandel, zu beenden oder zumindest zu reduzieren.

Neben Beiträgen zu naturheilkundlichen Behandlungsmöglichkeiten der Wetterfühligkeit und deren Folgen beschäftigen sich zwei Artikel mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und menschlichem Einfluss. So beschreibt Storl nicht nur die regelmäßigen natürlichen klimatischen Schwankungen unserer Erde, sondern auch die gestörte Symbiose zwischen dem Menschen und seiner Umwelt, die den Organismus Erde belasten, die dieser letztlich jedoch mit seinen Regulationsmöglichkeiten auszugleichen weiß. Und Ploberger bezeichnet den Raubbau an und auf der Erde als Gleichgewichtsstörung im Sinne einer Yin-Erkrankung, die es zu behandeln gilt.

Wie immer wünsche ich Ihnen bei dieser interessanten und wichtigen Lektüre wieder viel Freude und neue Erkenntnisse.

Herzlichst Ihr

Peter W. Gündling



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Article published online:
14 June 2024

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