retten! 2024; 13(01): 1
DOI: 10.1055/a-2183-1999
Editorial

Atemwegsmanagement – was Friedrich von Esmarch noch nicht wissen konnte

Sebastian Koch

Notfallsanitäter führen bundesweit im Durchschnitt lediglich in 20% aller selbstständigen notfallmedizinischen Einsätze eine heilkundliche Maßnahme durch. Wenn erlernte invasive und pharmakologische Maßnahmen in der Praxis (warum auch immer) nicht angewendet werden, darf man einer Kompetenzbeherrschung sowie einem Kompetenzerhalt eher skeptisch gegenüberstehen. Allein die Realität, dass von den durchgeführten invasiven sowie pharmakologischen Maßnahmen weniger als 2% auf die Anlage einer Atemwegshilfe entfallen, unterstreicht die Bedeutung der vorliegenden Ausgabe.

Unter „Atemwegsmanagement“ versteht man die Vermeidung oder die Korrektur einer akuten hypoxischen oder hyperkapnischen respiratorischen Insuffizienz. Neben den invasiven Techniken zur Etablierung und zum Erhalt eines freien Atemwegs (u.a. endotracheale Intubation) sind die Basismaßnahmen des Atemwegsmanagements nicht zu unterschätzen. Hierzu gehören u.a. das Freimachen der Atemwege, die Erhöhung des Sauerstoffanteils in der Atemluft, die gezielte Präoxygenierung vor einer Notfallnarkose oder auch die assistierte oder kontrollierte Masken-Beutel-Ventilation.

Der Begriff der Atemwegssicherung ist eng mit Friedrich von Esmarch (1823–1908) verbunden. Die Anfänge des Atemwegsmanagements, etwa das „Über ein Fass rollen“, „Kopfüber aufhängen“ oder auch die „Beatmung mittels Blasebalg“, sind dagegen so alt wie die Menschheit selbst und heute noch faszinierende historische Fakten in aktuellen Lehrbüchern. Eine heutige professionelle Versorgung von (Notfall-)Patienten muss sich aber den Anforderungen einer sich berufenden Disziplin „Rettungswissenschaft“ stellen und seine therapeutischen, medizinischen sowie auch pflegerischen Maßnahmen dem aktuellen Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse anpassen können.

Vor diesem Hintergrund eröffnen Andrea Greulich und Jens Tiesmeier unsere Rubrik „Fachwissen“ mit aktuellen Informationen zu Basismaßnahmen beim Atemwegsmanagement. Beide ergänzen in einem weiteren Beitrag aktuelle wissenschaftliche Therapiehinweise zu erweiterten Maßnahmen der Atemwegssicherung.

Weitere aktuelle Artikel widmen sich der notfallmedizinischen Versorgung bei einer Hypothermie, Patienten mit einer Lungenarterienembolie, der Fehlerkultur im Rettungsdienst, dem Medizinproduktegesetz sowie dem kompetenzorientierenden Thema der Simulation in der Ausbildung zum Notfallsanitäter.

Wir freuen uns außerdem, Ihnen mit der vorliegenden Ausgabe unser neues Lehrbuch Anatomie Physiologie vorstellen zu können. Es bietet Ihnen ein komplexes „Fundament“, das Sie benötigen, um rettungsdienstliche Maßnahmen korrekt anzuwenden. Außerdem liefert es Ihnen wichtige Basiskenntnisse aus der Chemie, Biochemie, Physik und Biologie. Möge Ihnen dieses Buch auf Ihrer „Reise durch das Wunderwerk Mensch“ ein treuer Begleiter sein.

Rettungswissenschaft ist wie Sex. Manchmal kommt etwas Sinnvolles dabei raus, aber das ist nicht der Grund, warum wir es tun.

Ihr Prof. Dr. Sebastian Koch



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Article published online:
12 February 2024

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