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DOI: 10.1055/a-2183-1451
Kommentar zu „Schleimpfropfen erhöhen Mortalität bei COPD“
Mucus-Plugs (Schleimpfropfen) in computertomografischen Bildern von COPD-Patienten gehen – im Studiensetting – mit einer erhöhten Mortalität einher. Ergeben sich hieraus für die Forschung und die tägliche Versorgung unserer Patienten Konsequenzen?
Für die Forschung müssen die Ergebnisse zunächst Ansporn zu einer Reihe weiterer Analysen sein. Außer COPDGene [1] und SPIROMICS [2] haben auch andere Konsortien – nicht zuletzt auch das deutsche Konsortium COSYCONET – Thorax-CTs entweder als im Rahmen der Studienprotokolle geforderten Untersuchungen oder als routinemäßig durchgeführte CTs gesammelt. Hier sollte versucht werden, die jetzt vorliegenden Analysen zu reproduzieren und zu erweitern. Dabei muss auch der Frage der Korrelation und Überlappung zwischen den klinischen Symptomen der chronischen Bronchitis und dem CT nochmals nachgegangen werden, was in der vorliegenden Arbeit gemacht wurde (Vorhandensein ja/nein), aber möglicherweise in noch größerer Genauigkeit möglich ist. Das ist wichtig, weil über 50% der Patienten mit Mucus-Plugs klinisch keine chronische Bronchitis aufweisen [1] [2] und beide Merkmale daher nicht einfach austauschbar sind.
Auch über das Zusammenspiel zwischen Sputum-Produktion, COPD und anderen bronchopulmonalen Erkrankungen, bei denen die chronische Bronchitis oder Mucus-Plugs berichtet wurden (z.B. Bronchiektasen oder Asthma) müssen wir noch viel lernen. Darüber hinaus ergeben sich bei der Entwicklung möglicher Therapeutika Konsequenzen: Die pharmazeutische Industrie muss sich die Frage stellen, ob für antientzündlich ausgelegte Therapien der COPD nicht mindestens in den Proof-of-concept-Phasen der Zulassungsstudien CT-Scans unerlässlich sind, weil einerseits eine Imbalance des Kriteriums Mucus-Plugs die Ergebnisse beeinflussen könnte und weil andererseits hier ein mögliches Zielkriterium liegen könnte.
Für die klinische Versorgung von COPD-Patienten ergeben sich aktuell wohl noch keine ganz zwingenden Konsequenzen. Eine erste Schwierigkeit in der Übertragbarkeit der Ergebnisse aus der Wissenschaft in die Praxis ergibt sich bereits bei der „Diagnose“. Die CTs in der vorliegenden Studie wurden mit großer Sorgfalt und hoher Ortsauflösung gefahren und von bis zu 3 erfahrenen Radiologen befundet. Ob sich diese Ergebnisse auf routinemäßig durchgeführte CTs und in die Befundungspraxis niedergelassener Radiologen übertragen lassen, darf zumindest bezweifelt werden. Aber selbst wenn dem so wäre, ist bislang der Wert eines intensivierten Monitorings oder einer spezifischen Behandlung dieser Patienten völlig unklar.
Von der chronischen Bronchitis wissen wir aus einer Vielzahl von Studien, dass sie mit gehäuften Exazerbationen und erhöhter Mortalität eingehergeht, letzteres auch außerhalb der COPD [3]. Dennoch ist nicht vollständig gesichert, inwieweit eine individualisierte Behandlung genau dieser Patientengruppe besonders notwendig oder besonders wirksam ist. Indirekte Hinweise hierfür lassen sich beispielsweise aus den Studien zum PDE4-Inhibitor Roflumilast ableiten, dessen Wirksamkeit zunächst in Post-hoc-Subgruppenanalysen bei Patienten mit chronischer Bronchitis erhöht schien und schließlich auch prospektiv in genau diesen Patienten (chronische Bronchitis war ein Einschlusskriterium) gezeigt werden konnte [4]. Auch die kürzlich zu Dupilumab (Blockade des Signalweges IL-4/13) erschienene Studie schloss nur diejenigen COPD-Patienten ein, welche (neben einer Reihe anderer wichtiger Einschlusskriterien) auch das Merkmal Chronische Bronchitis aufwiesen [5]. Wie es mit Patienten aussieht, deren CT-Scan Mucus-Plugs aufweist, die aber nicht unter chronischer Bronchitis leiden, wissen wir nicht. Sollen wir sie mukolytisch behandeln, mit hochprozentiger Kochsalzlösung inhalieren lassen, ein Device zur Mobilisation des Sekrets rezeptieren, Physiotherapie verordnen, früher an Roflumilast oder inhalierbare Antibiotika denken? Diese Fragen müssen zum jetzigen Zeitpunkt unbeantwortet bleiben. Angemessen scheint aber auf jeden Fall, COPD-Patienten mit chronischer Bronchitis und/oder Mucus-Plugs im CT mit erhöhter Aufmerksamkeit zu begleiten.
Publication History
Article published online:
14 November 2023
© 2023. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Diaz AA, Orejas JL, Grumley S. et al. Airway-Occluding Mucus Plugs and Mortality in Patients With Chronic Obstructive Pulmonary Disease. JAMA 2023; 329: 1832-1839 DOI: 10.1001/jama.2023.2065.
- 2 Dunican EM, Elicker BM, Henry T. et al. Mucus Plugs and Emphysema in the Pathophysiology of Airflow Obstruction and Hypoxemia in Smokers. Am J Respir Crit Care Med 2021; 203: 957-968 DOI: 10.1164/rccm.202006-2248OC. (PMID: 33180550)
- 3 Fortis S, Shannon ZK, Garcia CJ. et al. Association of Nonobstructive Chronic Bronchitis With All-Cause Mortality: A Systematic Literature Review and Meta-analysis. Chest 2022; 162: 92-100 DOI: 10.1016/j.chest.2022.02.003.
- 4 Rennard SI, Calverley PM, Goehring UM. et al. Reduction of exacerbations by the PDE4 inhibitor roflumilast--the importance of defining different subsets of patients with COPD. Respir Res 2011; 12: 18 DOI: 10.1186/1465-9921-12-18.
- 5 Bhatt SP, Rabe KF, Hanania NA. et al. Dupilumab for COPD with Type 2 Inflammation Indicated by Eosinophil Counts. N Engl J Med 2023; DOI: 10.1056/NEJMoa2303951.