CC BY-NC-ND 4.0 · Geburtshilfe Frauenheilkd 2023; 83(10): 1250-1262
DOI: 10.1055/a-2159-7510
GebFra Science
Original Article

Registerstudie der Arbeitsgemeinschaft Zervixpathologie und Kolposkopie e. V. (AGCPC) zum Abklärungsalgorithmus im neuen Zervixkarzinom-Screening – erste Daten

Artikel in mehreren Sprachen: English | deutsch
Melanie Henes
1   Department für Frauengesundheit Tübingen, Universitätsfrauenklinik, Tübingen, Germany
,
Ellen Mann
2   Universitätsfrauenklinik und Poliklinik am Klinikum Südstadt Rostock, Rostock, Germany
,
Christine Hirchenhain
3   Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus an der Technischen Universität Dresden, Dresden, Germany (Ringgold ID: RIN39063)
,
Emanuel Bauer
4   amedes MVZ für Gynäkologie und Pathologie München, München, Germany
,
Alexander Kentner
5   Klinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Erfurt, Germany (Ringgold ID: RIN549894)
,
Jens Quaas
6   Facharztpraxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Hansestadt Stralsund, Germany
,
Christopher Koßagk
7   Gynäkologisches Versorgungszentrum Kreuzberg MVZ/Köpenick, Berlin, Germany
,
Julia Gallwas
8   Klinik für Gynäkologie und Geburtshilfe, Universitätsmedizin Göttingen, Georg-August-Universität, Göttingen, Germany (Ringgold ID: RIN84922)
,
Leon Henes
1   Department für Frauengesundheit Tübingen, Universitätsfrauenklinik, Tübingen, Germany
,
Antonia Schumacher
1   Department für Frauengesundheit Tübingen, Universitätsfrauenklinik, Tübingen, Germany
,
9   Zytologisches Labor, Facharztpraxis für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Düsseldorf, Germany
› Institutsangaben
TRIAL REGISTRATION: Registration number (trial ID): DRKS00024931, Trial registry: DRKS - Deutsches Register Klinischer Studien, Type of Study:

Zusammenfassung

Einleitung

Erstmals seit 1971, wurde das Zervixkarzinom-Screening als organisierte Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (oKFE-RL) ab 01.01.2020 neu geregelt. Ab einem Alter von 20 Jahren wird jährlich ein zytologischer Abstrich und ab 35 Jahren ein sogenanntes Co-Testing (Zytologie und Test auf HPV-High-Risk-Viren) alle 3 Jahre durchgeführt. Bei Auffälligkeiten wird entsprechend dem Algorithmus abgeklärt. Dieser Abklärungsalgorithmus definiert, dass auch sogenannte Niedrigrisikogruppe frühzeitig eine kolposkopische Beurteilung erhalten. Diese Vorgehensweise wurde stark diskutiert und dient als Grundlage dieser Registerstudie.

Methode

Alle Patientinnen, die sich im Rahmen des Abklärungsalgorithmus zur Kolposkopie in den Zentren vorgestellt hatten, wurden nach Einwilligung eingeschlossen. Folgende Befunde wurden erhoben: Anamnese, kolposkopische, histologische und zytologische Befunde sowie mögliche Therapien und deren Befund. Ziel war es, die Häufigkeit der Zielläsionen zervikale intraepitheliale Neoplasie (CIN) 2+/CIN 3+ in den jeweiligen Gruppen zu evaluieren.

Ergebnis

Von Juli 2020 bis Oktober 2022 wurden insgesamt 4763 Patientinnen in die Studie eingeschlossen. Als Zuweisungsdiagnose zeigte sich bei 23,9% (1139) eine HPV-Persistenz (HPV: humanes Papillomavirus) mit Gruppe I, bei 2,1% (100) eine HPV-Persistenz mit Gruppe II-a, bei 11,2% (535) ein II-p (ASC-US) und bei 1,3% (64) ein II-g (AGC endocervical NOS). Einen III-p (ASC-H) bzw. III-g (AGC endocervical favor neoplastic) hatten 9,4% (447) bzw. 2,2% (107), einen IIID1 (LSIL) 19% (906), einen IIID2 (HSIL, moderate Dysplasia) 18,9% (898), einen IVa-p (HSIL, severe Dysplasia) 10,7% (508), einen IVa-g (AIS) 0,7% (31), einen IVb-p (HSIL with Features suspicious for Invasion) bzw. IVb-g (AIS with Features suspicious for Invasion) 0,3% (15), 0,1% (6) und 7 V. a. auf Invasion V-p (squamous Cell Carcinoma)/V-g (endocervical Adenocarcinoma) (0,1%). In der Gruppe der IVa-p (HSIL, severe Dysplasia) ergab sich bei 67,7% eine CIN 2+ bzw. bei 56,5% eine CIN 3+, Adenocarcinoma in situ (AIS) und Adenokarzinom. Wertete man zusätzlich die Histologien der direkt aufgrund des kolposkopischen Befundes Exzidierten mit aus, ergab sich in 79,7% eine CIN 2+ bzw. 67,3% eine CIN 3+. Bei IIID2 (HSIL, moderate Dysplasia) ergab sich in 50,9% eine CIN 2+ bzw. bei 28,3% CIN 3+/AIS, dies erhöhte sich nach Auswertung der direkt Operierten auf 53,0% CIN 2+ bzw. auf 29,3% CIN 3+/AIS. Bei IIID1 (LSIL) zeigte sich in 27,4% eine CIN 2+ bzw. in 11,7% eine CIN 3+/AIS und bei II-p (ASC-US) bei 23,4% eine CIN 2+ bzw. 10,8% eine CIN 3+ und AIS und bei II-g (AGC endocervical NOS) in 34,4% eine CIN 2+ bzw. in 23,4% eine CIN 3+. In der Gruppe der HPV-Persistenz/II-a und I zeigte sich in 21% eine CIN 2+ bzw. in 12,1% eine CIN 3+ und AIS bzw. in 13% eine CIN 2+ und in 5,9% eine CIN 3+ und AIS. Bei den Patientinnen, die HPV-negativ waren und alleine aufgrund des zytologischen Abstrichs abgeklärt wurden, ergab sich in 27,9% eine CIN 2+ bzw. in 14,1% eine CIN 3 und AIS.

Diskussion

In Zusammenschau der vorliegenden Befunde unserer ersten Daten der Registerstudie zum neuen Zervixkarzinom-Screening, entsprechend der organisierten Krebsfrüherkennungs-Richtlinie (oKFE-RL), konnten wir zeigen, dass bei einem nicht unerheblichen Anteil, besonders in der zytologischen Niedrigrisikogruppe, die Zielläsion einer CIN 3+ und AIS unerwartet häufig nachgewiesen wird. Wir können heute nicht beantworten, ob sich dadurch die Inzidenz und die Mortalität des Zervixkarzinoms senken lässt, aber dies könnte ein erster Hinweis darauf sein und wird in weiteren Langzeitauswertungen überprüft.



Publikationsverlauf

Eingereicht: 11. Juli 2023

Angenommen nach Revision: 19. August 2023

Artikel online veröffentlicht:
05. Oktober 2023

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