Gastroenterologie up2date 2023; 19(04): 322-324
DOI: 10.1055/a-2155-8800
Wichtige Studien im Fokus

Kommentar zu: Adagrasib bei KRAS-G12C-mutierten kolorektalen Karzinomen effektiv

Thomas Seufferlein

Die RAS-Gene waren Anfang der 80er Jahre des vergangenen Jahrhunderts die ersten beim Menschen entdeckten Onkogene. Weiterführende Studien zeigten, dass mutiertes Kirsten Ras, KRAS, eine zentrale Rolle bei der Karzinogenese spielt, im Gastrointestinaltrakt insbesondere bei kolorektalen und Pankreaskarzinomen, bei denen es das am häufigsten mutierte transformierende Onkogen ist. Ras-Proteine sind kleine G-Proteine oder GTPasen, die in ihrer aktiven Form GTP binden, dieses zu GDP abbauen und dadurch inaktiv werden. Durch die Mutation wird die GTPase-Eigenschaft beeinträchtigt, sodass das G-Protein immer aktiv bleibt und kontinuierlich eine Fülle intrazellulärer Signalwege stimuliert.

Seit der Entdeckung der transformierenden Eigenschaften von mutiertem KRAS versucht man seine transformierende Wirkung zu hemmen. Hierzu gab es zahlreiche Versuche. Unter anderem versuchte man, die von KRAS induzierten, downstream gelegenen Signalkaskaden wie RAF-, MEK-, ERK- und PI3-Kinase zu hemmen, was jedoch – wenn überhaupt – nur zu einer teilweisen Hemmung der KRAS-Wirkung führte, da durch Redundanz in der Signalwirkung in der Tumorzelle die Hemmung umgangen wurden. Auch der Versuch einer Hemmung der Plasmamembranbindung von KRAS, die für die Wirkung der GTPase notwendig ist, z. B. durch Farnesyltransferaseinhibitoren, zeigte nicht die erwünschte Wirkung. Daher galt mutiertes Ras, das beim kolorektalen Karzinom in etwa 50% der Fälle vorliegt, lange zeigt als nicht angehbar, als „undruggable“.

Es gibt unterschiedliche Mutationen in KRAS. Die häufigste ist bei kolorektalen (KRK) und Pankreaskarzinomen der Austausch der Aminosäure Glycin in Position 12 gegen Asparaginsäure (G12D). Jetzt gelang es erstmals, einen oral verfügbaren Inhibitor, Adagrasib, herzustellen, der eine andere KRAS-Mutation, G12C, irreversibel bindet und in ihrer GDP-gebundenen und damit inaktiven Form hält. Die G12C-Mutation findet sich zwar nur in 2,7% der kolorektalen und 1,1% der Pankreaskarzinome, für diese Subgruppen stellt Adagrasib aber eine interessante Therapieoption für Patienten dar, die schon eine Reihe von Vortherapien erhalten hatten. Interessanterweise führt die Kombination mit einem anti-EGFR monoklonalen Antikörper (mAb), Cetuximab, der ja wegen Wirkungslosigkeit bei RAS-mutierten KRKs sonst nicht zum Einsatz kommt, zu einer Wirkungsverstärkung, was sich in einer Verbesserung des Tumoransprechens (partielle Remissionsrate 19% vs. 46%) und des medianen progressionsfreien Überlebens (mPFS 5,6 Monate vs. 6,9 Monate) zeigte. Das mediane Überleben lag in der Monotherapiegruppe bei 19,8 Monaten, in der Kombinationsgruppe bei 13,4 Monaten. Allerdings war die Studie nicht für die Beurteilung von Überleben gepowert, einige Patienten wechselten von der Mono- in die Kombinationsgruppe und zahlreiche Patienten in beiden Gruppen standen zum Zeitpunkt der Auswertung noch unter einer Folgetherapie [1]. Die Ergebnisse sind eindrucksvoll und zeigen, dass zumindest die KRAS-G12C-Mutation nun therapeutisch angehbar ist. Hauptnebenwirkungen der KRAS-G12C-Inhibitoren sind Übelkeit, Fatigue und Diarrhö, allerdings zumeist nur Grad 1 und 2, d. h. die Verträglichkeit ist gut.

Der Aufwand für die Bestimmung der Mutation ist gering. Wir ermitteln ja schon seit Jahren den Ras-Mutationsstatus beim metastasierten KRK, da viele Studien gezeigt haben, dass der Einsatz von anti-EGFR mAbs nur bei Ras-Wildtyp-Tumoren sinnvoll ist. Die sequenzierungsbasierte Analytik liefert in der Regel auch die Information über die genaue Mutation.

Adagrasib ist aber nur ein Mitglied einer neuen Klasse von Inhibitoren. Auch Sotorasib, ebenfalls ein kovalenter Inhibitor von KRAS-G12C, wirkt – allein und in Kombination mit dem anti-EGFR mAb Panitumumab – ebenfalls bei KRASG12C-mutierten Tumoren [2] [3]. Ein weiterer KRAS-G12C-Inhibitor, Divarasib, zeigt ebenfalls beim vorbehandelten, metastasierten KRK als Monotherapie sehr gute Ergebnisse mit einer Gesamtansprechrate von 35,9% und einem medianen PFS von 6,9 Monaten [4].

Hauptproblem der aktuellen KRAS-G12C-Inhibitoren scheint eine relativ rasche Resistenzentwicklung zu sein [5], weshalb sie in Kombination mit Chemotherapie und vor allem auch in früheren Therapielinien in Studien untersucht werden.

„Drugging the undruggable“ wird möglich, und die Entwicklung schreitet schnell voran. Mit Spannung werden Ergebnisse der Studien zu den ersten pan-RAS- und KRAS-G12D-Inhibitoren erwartet, die dann bei einer deutlich größeren Gruppe von Tumoren – nicht nur im Gastrointestinaltrakt – eingesetzt werden könnten.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
12. Dezember 2023

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