Nervenheilkunde 2023; 42(11): 809-810
DOI: 10.1055/a-2136-5078
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

Atogepant ist in der Prophylaxe der chronischen Migräne wirksam und sicher

**** Pozo-Rosich P, et al. Atogepant for the preventive treatment of chronic migraine (PROGRESS): a randomised, double-blind, placebo-controlled, phase 3 trial. Lancet 2023. doi: 10.1016/S0140-6736(23)01049-8

Hintergrund

Prophylaktische Therapien, die mit dem Signalweg von Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) interagieren, sind mittlerweile in der Routinebehandlung etabliert. Insbesondere monoklonale Antikörper gegen CGRP bzw. den CGRP-Rezeptor (CGRP mAbs) überzeugen mit guter Wirksamkeit bei geringer Nebenwirkungsrate. Als weitere Möglichkeit der CGRP-Blockade sind small molecules, die Gepante, seit langem bekannt und nach anfänglichen Rückschlägen bzgl. Hepatotoxizität international im Markt verfügbar. Gepante unterscheiden sich sowohl in der Art der Gabe als auch deutlich geringeren Halbwertzeit von CGRP mAbs, d. h. die Gabe erfolgt täglich/umtägig peroral anstatt 3-/monatlich s. c./i. v.. Diese Studie untersuchte die Wirksamkeit, Sicherheit und Verträglichkeit Atogepant in der Prophylaxe der chronischen Migräne.


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Zusammenfassung

An 142 Studienzentren weltweit (u. a. USA, China, Europa, Japan) wurden 778 Patienten in einem 1:1:1-Design entweder in eine Therapie mit Atogepant 2x tgl. 30 mg, 1x tgl. 60 mg oder Placebo randomisiert. In allen Behandlungsarmen beendeten ca. 10–11 % der Patienten die studienbasierte Behandlung, davon wegen Adverse Events (AEs) n = 13 bzw. n = 9 in den Verumgruppen mit 30 mg bzw. 60 mg Atogepant während im Placeboarm n = 10 die Behandlung wegen eines AE beendeten. Die Studienpopulation war in allen Gruppen ca. 42 ± 12 Jahre alt und zu 86–88 % weiblich. Als primärer Studienendpunkt war die Reduktion der monatlichen Migränetage (MMD) über einen 12 Wochen Zeitraum definiert. Sekundäre Endpunkte waren die Reduktion der monatlichen Kopfschmerztage (MHD), Reduktion der Tage mit Akutmedikation, das Erreichen einer ≥ 50 %igen Reduktion der MMD sowie Maße der Alltagsbeeinträchtigung. Der Anteil der Patienten mit einer Medikamentenübergebrauch (MO) lag über alle Gruppen bei 66 % und 83 % der Patienten hatten zuvor eine prophylaktische Therapie. Das vorherige Scheitern von > 4 Prophylaxen mit verschiedenen Mechanismen war ein Ausschlusskriterium.

Patienten mit Atogepant 30 mg 2x tgl. bzw. 60 mg 1x tgl. erreichten eine Reduktion der MMD um –7,5 ± 0,4 bzw. –6,9 ± 0,4. Patienten im Placeboarm verbesserten sich signifikant schlechter um lediglich –5,1 ± 0,4 MMD. Die Reduktion der MHD war nahezu vergleichbar in allen Gruppen. Die Reduktion der Akutmedikation gelang mit Verum signifikant besser und lag bei –6,7 ± 0,4 bei Atogepant 30 mg 2x tgl. sowie –6,2 ± 0,4 bei Atogepant 60 mg 1x tgl. während unter Placebo nur –4,1 ± 0,4 Tage mit Akutmedikation erreicht wurden. Die 50 %-Reponserate bezogen auf die MMD lag in den Atogepant-Gruppen signifikant höher und erreichte 43 % (30 mg 2x tgl.) bzw. 41 % (60 mg tgl. 1x tgl.), während dies nur bei 26 % der Patienten mit Placebo erreicht wurde. Sämtliche Maße der Alltagsbeeinträchtigung besserten sich signifikant besser unter Verum als unter Placebo. Hinsichtlich des Nebenwirkungsprofils zeigten 10–11 % der Patienten mit Atogepant eine Obstipation, während dies nur 3 % der Patienten mit Placebo berichteten. Darüber hinaus wurde lediglich Übelkeit von ≥ 5 % der Patienten als AE berichtet (8–10 % unter Verum gegenüber 4 % mit Placebo).


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Kommentar

Diese Phase-III-Studie zeigt, dass Atogepant auch bei einer schwer zu behandelnden Patientenpopulation wirksam und sicher ist. Die Odds Ratio für das Erreichen einer ≥ 50 % Reduktion der MMD lag in den Verum-Gruppen bei 2,0–2,1 gegenüber Placebo, was vergleichbar zu den CGRP mAbs ist [1]. Die Reduktion der Tage mit Akutmedikation ist hingegen numerisch höher verglichen mit subkutanen CGRP mAbs, welche eine Reduktion um –3,5 bis –4,7 Tage erreichten. Der Unterschied gegenüber Placebo liegt jedoch vergleichbar bei etwa –2 Tagen, lediglich unter Eptinezumab war der Unterschied gegenüber Placebo deutlicher [2].

Letztlich bleibt trotz des guten Sicherheitsprofils, insbesondere bzgl. hepatischer Nebenwirkungen und der überzeugenden Wirksamkeit die Frage, für welche Patienten sich die Substanz in Zukunft in der Praxis eignet. Die Autoren sehen als Zielgruppe jene Patienten, bei denen eine Spritzenphobie vorliegt, bei denen ein rasches Absetzen aus Sicherheitsgründen sinnvoll ist sowie Patienten, die aus Sorge vor Nebenwirkungen vor einer längerfristig irreversiblen CGRP-Blockade zurückschrecken.

Robert Fleischmann, Greifswald


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Publication History

Article published online:
06 November 2023

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