Zeitschrift für Phytotherapie 2023; 44(04): 155-157
DOI: 10.1055/a-2131-2427
Forschung

Phytotherapie bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen*

Roman Huber
1   Universitätsklinikum Freiburg, Klinik für Innere Medizin II, Uni-Zentrum Naturheilkunde
› Author Affiliations

Die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Colitis ulcerosa (CU) und M. Crohn äußern sich typischerweise durch Durchfälle mit Blutbeimengungen (CU) bzw. Bauchschmerzen und Durchfälle (M. Crohn), wobei die Verläufe über die Zeit (zumeist mit Remissionen oder chronisch aktiv) und die Beeinträchtigungen/Ausprägungsgrade (mild bis stark mit Komplikationen) je nach Befallsmuster (Proktitis, Linksseitencolitis, Pancolitis, terminales Ileum bei M. Crohn) deutlich variieren. Es sind zumeist junge Menschen betroffen, häufig besteht der Wunsch, aktiv etwas gegen die Erkrankung zu tun. Dies führt zu einer hohen Nachfrage nach Komplementärmedizin. Mehr als 50% der Befragten einer repräsentativen Umfrage gaben 2019 an, Komplementärmedizin anzuwenden [1]. Phytotherapie spielt hierbei eine wichtige Rolle.

Für die praktische Anwendung der Phytotherapie hat sich das Denken in Wirkprinzipien bewährt. Bei CED spielen insbesondere die folgenden Wirkprinzipien eine Rolle:

  • Entzündungshemmung

  • Regulation der Darmperistaltik und Flüssigkeitsbindung

  • Schleimhautschutz

  • Beeinflussung der Barrierefunktion und des Darmmikrobioms

Aus den Forschungen zur Phytotherapie bei CED haben sich in den letzten Jahren mehrere wirksame Therapien ergeben, die z.T. auch in den aktuellen Leitlinien [2] [3] abgebildet sind.

Flohsamenschalen (aus Plantago ovata Forssk.) binden im Darm bis zum 40-fachen ihres Eigengewichtes an Flüssigkeit und regulieren die Peristaltik. Hierdurch verringert sich bei vielen Patienten mit CED die Stuhlfrequenz und der Stuhl wird konsistenter, was den z.T. sehr belastenden imperativen Stuhldrang („Toilette muss immer in der Nähe sein“) reduziert. Flohsamenschalen haben in der Leitlinie CU [2] eine „kann“-Empfehlung. Sie werden bei CED zumeist mit wenig Flüssigkeit bzw. eingerührt in Müsli oder Joghurt mit 1–2 EL (ca. 2,5 bis 10 g) pro Tag eingenommen. Da es sich um eine Wirkung als Quellstoff handelt, ist die Wirkung weitgehend unabhängig von der Ursache der Durchfälle auch bei M. Crohn oder Durchfällen bei Reizdarm vorhanden. Flohsamenschalen haben sich in der Praxis bei CED sehr bewährt. Zusätzlich zur Wirkung auf die Stuhlkonsistenz führen Flohsamenschalen auch zu einer leichten Verbesserung der Entzündung, da Butyrat, das durch bakteriellen Abbau aus Flohsamenschalen gebildet wird, entzündungshemmende Eigenschaften hat.

Flohsamenschalen sind die einzige Phytotherapie im Bereich CED, die gemäß Anlage I zum Abschnitt F der Arzneimittel-Richtlinie in der gesetzlichen Krankenversicherung seit der Erstformulierung dieser Ausnahmen Anfang 2004 erstattungsfähig sind („Flohsamen und Flohsamenschalen nur zur unterstützenden Quellmittel-Behandlung bei Morbus Crohn, Zustand nach ausgedehnter Darmresektion, insbesondere Kurzdarmsyndrom und HIV assoziierter Diarrhoen“).

Curcumin, ein Bestandteil der Gewürzpflanze Curcuma longa, hat in vitro ausgeprägte entzündungshemmende Eigenschaften [4]. Da es in kleineren placebokontrollierten Studien zum Remissionserhalt bei CU wirksam war, wird es ebenfalls mit einer „kann“-Empfehlung in der aktuellen Leitlinie genannt ([2], Dosierung 2 g/Tag), Präparate sind nur als Nahrungsergänzungsmittel erhältlich. Die schlechte Resorption und rasche Metabolisierung von Curcumin nach Resorption spielen bei der CU wahrscheinlich keine Rolle, da hier nicht die systemische, sondern wohl die lokale Wirkung ausschlaggebend ist. Curcumin wirkt möglicherweise auch über eine Modulation des Mikrobioms [5]. Insofern ist es bei dieser Indikation sinnvoll, Curcumin pur ohne Hilfsmittel wie Piperin bzw. Mizellen, die die Resorption verbessern, zu verwenden.

Schleimstoffe und Phosphatidylcholin können die für den Schutz der Epithelzellen wichtige Schleimschicht, die bei CU beschädigt ist, schützen bzw. regenerieren. In 4 kontrollierten Studien wurde Phosphatidylcholin aus Soja in einer speziellen mit dem Hilfsstoff Eudragit 100 verkapselten Form in seiner Wirksamkeit untersucht [6] [7]. Sie zeigten in einer Dosierung von 3,2 g/Tag bei Patienten mit aktiver CU ein besseres klinisches und histologisches Ansprechen als Placebo. Eine Phase-III-Studie mit Phosphatidylcholin wurde allerdings wegen fehlender Wirksamkeit in der Zwischenauswertung gestoppt, was die Wirksamkeit in Frage stellt. Nach der klinischen Erfahrung besteht bei aktiver CU eine positive Wirkung von Phosphatidylcholin. Das Präparat ist als Nahrungsergänzungsmittel pc medicus im Handel. Pflanzenschleime kommen u. a. auch in Ringelblumenblüten vor und haben hier einen besonders guten Hafteffekt an der Schleimhaut [8]. Einläufe mit Tee aus Ringelblumenblüten, Süßholzwurzel (Schleimstoffe, Glycyrrhizin) und Blutwurz (Gerbstoffe) [9] haben sich bei Proktitis ulcerosa bewährt (Anwendung als Einlauf mit Tee).

Ein traditionelles Arzneimittel als Kombination aus Kaffekohle, Myrrhe und Kamille (MYRRHINIL-INTEST®) hat entzündungshemmende und barrierestabilisierende Effekte an der Darmschleimhaut [10]. Es wird aufgrund einer randomisierten Vergleichsstudie mit Mesalazin [11] in den Leitlinien mit einer „kann“-Empfehlung zur Rezidivprophylaxe genannt. In der Studie kam es sowohl unter Mesalazin (3 g/Tag) wie auch unter dem Kombinationspräparat (12 Filmtabletten/Tag) in ca. 50% zu einem Rezidiv der CU nach einem Jahr, was zeigt, dass beide Therapien nicht optimal sind.

Auch das in der Ayurvedischen Medizin als Adaptogen geltende Kalmegh (Andrographis paniculata (Burm.f.) Wall. ex Nees) wird u. a. bei entzündlichen Erkrankungen angewendet, wozu wissenschaftliche Daten vorliegen. In einer Studie mit 224 Patienten fand sich in der höchsten Dosierung von 1800 mg bei Patienten mit aktiver CU ein signifikanter Vorteil gegenüber Placebo beim klinischen Ansprechen [12]. In einem Mausmodell der CU wirkte Kalmegh entzündungshemmend am Immunsystem des Darmes [13].

Die Wirksamkeit der genannten Präparate wurde in klinischen Studien gezeigt und basiert zudem auf plausiblen Wirkmechanismen der Grundlagenforschung. Nach der klinischen Erfahrung sind die Wirkungen allerdings zumeist nur leicht bis mäßiggradig. Bei schwereren Verläufen können sie Immunsuppressiva bzw. Biologicals nicht ersetzen.

* Vortrag anlässlich des Phytotherapiekongresses der GPT in Bamberg am 16.06.2023




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Article published online:
30 August 2023

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