Pneumologie 2023; 77(08): 459-460
DOI: 10.1055/a-2122-8941
Editorial

Die neue fachärztliche Asthma-Leitlinie 2023: Wegbegleiter und Meilenstein in der Asthma-Versorgung

The new asthma guidelines for respiratory specialists 2023: companion and milestone in asthma care
Marek Lommatzsch
1   Abteilung für Pneumologie und Internistische Intensivmedizin, Zentrum für Innere Medizin, Universität Rostock, Rostock, Deutschland
,
Roland Buhl
2   Klinik für Pneumologie, Zentrum für Thoraxerkrankungen, Universitätsmedizin Mainz, Mainz, Deutschland
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In diesem Jahr feiert die internationale Leitlinie der „Global Initiative for Asthma“ (GINA) ihr 30-jähriges Jubiläum, die sehr erfolgreich globale Standards für die Diagnostik und Therapie von Asthma etabliert hat [1]. Um die Breitenversorgung von Asthma in Deutschland hat sich die Nationale Versorgungsleitlinie (NVL) Asthma (letzte Aktualisierung: 2020) des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin verdient gemacht, mit sorgfältig zusammengestellten und regelmäßig aktualisierten Evidenztabellen zu den einzelnen Algorithmen und Empfehlungen zur Diagnostik und Therapie von Asthma [2]. Doch weder die GINA-Empfehlungen als Richtschnur für das globale Management noch die NVL Asthma als Richtschnur für die Breitenversorgung von Asthma (einer der häufigsten chronischen Erkrankungen in Deutschland, mit hoher medizinischer und sozioökonomischer Bedeutung) können die komplexen Herausforderungen der Diagnostik und Therapie von Asthma im fachärztlich-pneumologischen Bereich adäquat abbilden. Die hohe Variation in Ätiologie, Pathogenese, klinischen Erscheinungsbildern und Schweregrad erklärt die große Bandbreite der Anforderungen an die fachärztliche Versorgungsqualität, vom breiten Portfolio an diagnostischen Möglichkeiten, welches im nicht-fachärztlichen Bereich meist nicht zur Verfügung steht, bis hin zu den vielfältigen modernen therapeutischen Optionen insbesondere für schweres Asthma, die im nicht-fachärztlichen Bereich typischerweise nicht verordnet werden. Diese Lücke schließt die im aktuellen Heft der „Pneumologie“ publizierte neue S2k-Asthmaleitlinie unter der Schirmherrschaft der Deutschen und Österreichischen Gesellschaften für Pneumologie und unter Mitwirkung zahlreicher Fachgesellschaften, welche, in Ergänzung zur NVL, speziell auf die Herausforderungen und Bedürfnisse der fachärztlich tätigen Pneumologinnen und Pneumologen eingeht, und alle neuen Erkenntnisse zur modernen Diagnostik und Therapie von Asthma zusammenfasst [3]. Sie soll nun der neue hilfreiche Wegbegleiter der pneumologisch tätigen Fachärztinnen und Fachärzte sein!

Die neue Leitlinie hat aber auch eine historische Dimension. Das Therapie-Konzept von Asthma hat sich in den letzten Jahrzehnten fundamental gewandelt: weg vom Paradigma der Symptom-Bekämpfung hin zum Paradigma der Symptom-Prävention und Erkrankungs-Kontrolle [4] [5]. Dieser Paradigmenwechsel wurde möglich durch das stetig wachsende Verständnis der komplexen Entzündungsmechanismen bei Asthma, mit daraus abgeleiteter Verfügbarkeit hochwirksamer anti-inflammatorischer Behandlungsoptionen, insbesondere von inhalativen Steroiden, Biologika und Allergen-Immuntherapien, welche durch eine effektive Krankheitsmodifikation symptompräventiv wirken. Diese Therapien können, auch bei schweren Asthma-Formen, ohne Einsatz nebenwirkungsreicher systemischer Steroide zu einer langfristigen Symptom- und Exazerbationsfreiheit und stabiler Lungenfunktion führen. Für eine solche langfristige und nahezu komplette Kontrolle der Erkrankung wurde vor Kurzem der Begriff der Remission eingeführt [4], der in anderen Fachgebieten der Inneren Medizin (wie z. B. in der Rheumatologie oder Gastroenterologie) für chronisch-entzündliche Erkrankungen seit Langem etabliert ist und sich insbesondere auch auf Patienten unter einer laufenden Therapie bezieht („remission on treatment“). Die vorliegende Asthma-Leitlinie benennt als erste Leitlinie weltweit das Erreichen einer Remission als Asthma-Therapieziel und stellt somit auch einen historischen Meilenstein in der Pneumologie dar. Das neue Therapieziel Remission soll Ansporn sein, in der täglichen Versorgung von Patienten mit Asthma ambitionierter zu sein: Wir können heutzutage mit einer individuell maßgeschneiderten Therapie (statt mit immer mehr Medikamenten in immer mehr Lungen) die Patienten mit Asthma langfristig vor Symptomen, Lungenfunktionsverlust und Medikamenten-Nebenwirkungen bewahren!



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Article published online:
24 August 2023

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