Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(24/25): 1589-1594
DOI: 10.1055/a-2085-4934
Übersicht

Fieberkrankheiten im frühen Werk des Poeta medicus Friedrich Schiller

Feaver Concepts in the Early Work of Poeta Medicus Friedrich Schiller
Daniel Schäfer

Friedrich Schiller verfasste 1780 im Rahmen seines Medizinstudiums in Stuttgart eine lateinische „Prüfschrift“ (Dissertation) über Fieberkrankheiten. Er beschuldigt darin die Natur, durch überschießenden Widerstand Entzündungen zu verschlimmern. Dieses Fieberkonzept steht in Wechselwirkung mit Schillers frühen literarischen Texten und unterstützt seine Anthropologie hinsichtlich der Annahme psychophysischer Wechselwirkungen.

Abstract

Friedrich Schiller wrote a Latin "Prüfschrift" (thesis) on fever diseases in 1780 as part of his medical studies in Stuttgart. In it, he accuses nature of aggravating inflammation through excessive resistance. This concept of fever interacts with Schiller’s early literary texts: In his first drama, „Die Räuber“ (1781), the two protagonists embody the two main types of fever. Accordingly, the descriptions of the two main types of fever in the "Prüfschrift" do not turn out to be "objective" either but contain positive and negative connotations: In a sense, personified heroes and hypocrites are medically juxtaposed and pathologised. In another early poem about the plague (1782), Schiller also interpreted and used fever as an expression of human vitality and natural power, as an anthropological sign for the interconnectedness of soul and body: soul forces are revealed in fever, and the drama of human existence becomes particularly clear in the struggle between nature and disease.

Kernaussagen
  • Fieberkrankheiten sind ein Thema, das Schiller als Arzt und Dichter intensiv beschäftigt hat. Dabei faszinierten den jungen Absolventen die körperlichen und seelischen Veränderungen des Menschen durch Fieberanfälle.

  • Die Fieberpathologie unterstützte seine Anthropologie hinsichtlich der postulierten psychophysischen Wechselwirkungen: Im Fieber offenbaren sich seelische Kräfte, und das Drama der menschlichen Existenz wird im Kampf zwischen Natur und Krankheit besonders deutlich.

  • Dieses Modell wirkte nicht nur auf die frühen Dichtungen und die beiden deutschen „Prüfschriften“ Schillers ein, sondern auch auf die scheinbar wenig inspirierende Fachprosa der Fieberschrift.



Publication History

Article published online:
05 December 2023

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